Mit löchrigen Jeans durch Bulgarien


Lora wohnt in einem kleinen Dorf in Bulgarien, in dem sich jeder strikt an die Traditionen hält. Das heißt also, dass sich jeder beim Namen kennt. Alle scheinen zu wissen, was das Beste für die Mitbewohner ist.
So auch bei der Protagonistin, deren Vater an einem unerwarteten Herzinfarkt stirbt. Da jedoch das Verhältnis zwischen Vater und Tochter nie besonders eng war, drückt Lora ihre Trauer nach außen hin fast gar nicht aus. Das junge Mädchen trägt gerademal einen kleines, kurzes, schwarzes Tuch als Zeichen für ihr Mitgefühl. Im Gegensatz zu ihrer braven Schwester, lässt das die ganze Situation noch mehr eskalieren. Lora treibt sich, ohne ein Träne zu vergießen, mit Rockmusik in den Ohrstöpseln, bauchfreien T-Shirts und zerrissenen Jeans herum. So lange die Stimmung zwischen ihrem Freund und ihr harmonisch ist, kann Lora nichts aus der Ruhe bringen.
Plötzlich kippt die Vertrautheit zwischen der Hauptdarstellerin und ihren Freunden. Selbst diese beginnen sich über ihre unaufrechte Trauer zu wundern und wollen vorerst nichts mehr mit ihr zu tun haben.
Die Tatsache, dass man auch auf individuelle Art und Weise seine Gefühle ausdrücken kann, wird nicht akzeptiert.

Der als "lobende Erwähnung" ausgezeichneter Film bereitet dem Zuschauer die bulgarische Kultur und Dorftradition auf. Man bekommt viele Bilder von älteren, weinenden Frauen zu Gesicht, was fast schon absurd wirkt. Durch den hohen Anteil von lautstarken weinerlichen Frauen schafft "Zhaleika" eine Distanz zwischen Publikum und Plot.
Die Protagonistin spielt den Charakter sehr überzeugend, sie ist selbstbewusst, stark und philosophisch zugleich. Eigentlich ein Vorbild für jede Emanzipierte Frau.
Trotzdem hat eine bestimmte Sache gefehlt. "Zhaleika" kam mir etwas lang vor. Die Handlung war nicht vielschichtig, wie man es von anderen Berlinalestreifen gewohnt ist. Mit häufig vorkommenden Bildern, z.B. die Szenen, in denen Lora durch das Dorf schlendert, wird eine zähe, langatmige Stimmung erzeugt. Zum Thema mag das passen, doch mir fehlte das gewisse Etwas.
Durch die Mischung aus deutscher und bulgarischer Regieleitung gab es glücklicherweise noch einige witzige Einlagen, die den deutschen Tourismus charmant auf die Schippe nehmen.
"Zhaleika" basiert auf einer tollen Idee, weswegen der Film auch zurecht die lobende Erwähnung bekommen hat. Allerdings würde ich den Film nicht als "Must-see" einstufen, da es an Facettenreichtum fehlt. Die Umsetzung hätte noch spannender gestaltet werden können.
28.2.2016, Eva Swiderski

"Einteilung ist das halbe Leben"

Das ist die Antwort des Kutschers auf Tims Bitte ein bisschen schneller zu fahren, weil er nicht mehr viel Zeit habe.

Heute hatte ich die Möglichkeit den Film "Die Reise nach Sundevit" im Rahmen einer filmpädagogischen Veranstaltung zu gucken, wie der Moderator in seiner langen Begrüßung betont, als jemand sagt, der Film solle jetzt mal anfangen. Er stellt die Filmvorführung als die einzige Retro-Cross Veranstaltung für Kinder auf der Berlinale vor. Dabei steht das "Retro" für die Sektion Retrospektive und "Cross" für Crosssektion, also eine Verbindung zwischen zwei Sektionen.

Der 50 Jahre alte DEFA Film, zeigt auf eine reizende Art und Weise, wie der kleine Junge Tim durch seine Hilfsbereitschaft, seinem Traum mit anderen Kindern auf Fahrt zu gehen im weg seht. Tim wohnt alleine mit seinem Vater der Leuchtturmwächter ist und seiner Mutter am Leuchtturm. Eigentlich ist er mit einer Gruppe von Kindern verabredet am Mittag los auf Fahrt nach Sundevit zu gehen, vorher bietet er seinem Vater noch an etwas im Dorf abzugeben. Doch auf dem Weg trifft er immer wieder Leuten, die ihn bitten für sie etwas zu erledigen. In seiner Gutmütigkeit sagt Tim immer "ja", wodurch ihm die Zeit davon rennt, wenn er noch pünktlich am Leuchtturm sein möchte.

Besonders interessant ist die Entwicklung die man bei Tim beobachten kann. Anfangs sagt er noch "die 10 Minuten habe er noch", als ihm die Erwachsenen sagen, er würde es sonst nicht pünktlich nach Hause schaffen. Nach einer Weile ist auch er der Meinung er habe keine Zeit mehr, trotz allem schafft Tim es nicht einfach "nein" zu sagen und nicht zu helfen. Als die Kinder aber weg sind bevor er nach Hause kommt, macht er sich auf den weg ihnen hinterher zu reisen. Auf diesem Weg muss Tim enttäuscht feststellen, dass er zwar allen geholfen hat, ihm aber niemand wirklich helfen will, wenn er darum bittet.
Die fröhliche und belebende Musik gibt einem ein schönes Sommergefühl, was bei dem nassen und kalten Berlinalewetter sehr angenehm ist.

"Die Reise nach Sundvit" ist ein charmanter alter Kinderfilm, der es schafft die Gefühle des des kleinen Jungen einzufangen. Auch die Schauspielerischen Leistungen des Hauptdarstellers Ralf Strohbach als Tim begeistern den Zuschauer. Ich kann es auf jeden Fall empfehlen nach diesem Film zu suchen und ihn mit seinen Kindern anzuschauen.

27.02.2016, Klara Hirseland

Publikumsliebling 14Plus


Natürlich wollen wir auch wieder unseren 14Plus Publikumsliebling ehren.

Mit insgesamt jeweils 15 von den 88 Stimmen haben wir dieses Jahr zum ersten Mal einen Gleichstand. Die beiden Gewinner sind...:
Each of them having received 15 of the 88 votes we have a tie. The two movies awarded are…:


                                                           Sairat                         und                      Born to Dance



Herzlichen Glückwunsch!
Congratulations!

Ab 11% der Stimmen folgt ein recht enges Feld. Den dritten Platz erhält Ma Révolution mit 10 Stimmen, es folgt El Soñador mit 9 Stimmen, Girl Asleep mit 8 und Royahaye Dame Sobh mit 7. Der Jugendjury-Gewinnerfilm Es Esmu Seit kommt auf 6%.

The following films were ranked quite close. Ma Révolution received 10 votes, El Soñador 9, Girl Asleep 8 and Royahaye Dame Sobh 7. The winner of the Chrystal Bear of the Youth Jury, Es Esmu Seit, received 6% of all votes.


Publikumsliebling KPlus


Auch in diesem Jahr möchten wir wieder unseren Publikumsliebling aus KPlus küren.

Nach einer Befragung von 105 Personen können wir nun stolz unseren Gewinner präsentieren. Mit 18% aller Stimmen geht der diesjährige Publikumspreis an... (Trommelwirbel)...:
Again this year we would like to award the “Darling oft he Public“ of KPlus. Having received 19 of the 105 votes our Darling of the Public of this year’s Berlinale goes to… (drum roll)…:

Jamais Contente


Herzlichen Glückwunsch!
Congratulations! 

Knapp folgt an zweiter Stelle Rara mit 17 der 105 Stimmen, während unser dritter Platz von Little Men mit 15 Stimmen belegt wird.
Der diesjährige Gewinnerfilm der Kinderjury, Ottaal, erhält insgesamt fast 10% der Stimmen.
Closely followed by Rara with 17 of the 105 votes and Little Men with 15 votes. This year’s winner film of the children’s jury, Ottaal, received nearly 10% of all votes.

Hier nun auch nochmal kurz die Grafik:
Here is a pie chart for a general overview:

"Du bist schlau, du hättest in einer reichen Familie geboren werden sollen."

Ottaal erzählt die Geschichte des achtjährigen Kuttappayi, der mit seinem Großvater durch den Süden Indiens zieht, um Entenschwärme zu hüten und ihre Eier auszubrüten. Sie bleiben nicht länger als ein paar Monate ein einem Ort, schlafen auf selbstgebauten Bambushütten über dem Wasser und es scheint, als lebten sie ihr Leben trotz der Armut in vollen Zügen. Kuttappayis Eltern nahmen sich - wie man im Laufe des Filmes erfährt - wegen zu hoher Schulden das Leben, so ist Kuttappayis Großvater sein einziger Angehöriger, der sich aber liebevoll um ihn kümmert. Er tut das bestmögliche, um seinem Enkel ein leichtes und behütetes Leben zu schaffen, lehrt ihm Dinge der Natur und will ihn gut auf ein späteres Leben vorbereiten. Doch bald wird klar, dass Kuttappayi, der Freundschaft mit einem reichen Schuljungen aus der Gegend Freundschaft geschlossen hat, mehr will, als nur ein Leben in der Natur. In ihm wächst immer mehr der Wunsch zu lernen und zur Schule zu gehen. Doch aufgrund der Armut kann sich Kuttappayis Großvater keine Schulbildung für ihn leisten, der sich dazu noch wegen seines voranschreitenden Alters und einer Erkrankung um Kuttappayis Zukunft sorgen muss, die ohne ihn wenig positiv verlaufen würde.

Der Regisseur Jayaraj bringt dem Publikum mit Ottaal das Schicksal tausender indischer Kinder näher. Auf erschreckend nahkommende aber zugleich leichte Art bringt er die immer noch gravierenden gesellschaftlichen Probleme Indiens der Chancenungleichheit, Kinderarbeit und Kastengesellschaft in einem Film zusammen, der das gesamte Publikum fesselt. Mit Ashant Sha, einem sehr authentischen Schauspieler für Kuttappayi, der es schafft, die doch sehr ernste Thematik auf sachte und unbefangene Weise den jungen Zuschauern nahe zu bringen, und paradiesisch schönen Bildern Südindiens, lässt der Film das Publikum in die Geschichte eintauchen und regt jeden zum Nachdenken an.

Doch Ottaal tut viel mehr, als nur das: Er lässt seine Zuschauer mitlachen, weinen und leiden, und berührt auf eine Art und Weise, die man kaum in Worte fassen kann. Von Anfang an ahnt der Zuschauer eine düstere Wendung und begreift das schreckliche Schicksal vieler Kinder dieser Welt, doch lässt der Film die Zuschauer mitfiebern und von Kuttappayis einzigartiger Selbstlosigkeit und Lebenslust verzaubern und anstecken. Gegen Ende wird sicherlich der ein oder andere ein paar Tränen losgeworden sein, bewusst von dem eigenen Glück, in einem Land voll Reichtum und Sicherheit geboren zu sein, und mit einem flauen Gefühl im Magen, daran denkend, wie ungerecht das Leben in einigen Ländern noch immer ist.

Die enorme Wirkung, die der Film beim Publikum hinterlassen hat, wird auch durch den fünfminütigen Applaus bestätigt, der nach dem letzten Schnitt von Ottaal ausbricht und auch noch anhält, als der Vorhang fällt und der Saal wieder erleuchtet wird. Jeder Zuschauer will dem Regisseur und vor allem dem kleinen Ashant für ihren Film danken und immer mehr erheben sich von ihren Sitzen, um ihre Begeisterung zu zeigen. Eine Kulisse, die man selbst bei der Berlinale selten zu sehen bekommt und auch den letzten Zweifler ganz und gar ergreift.

23.02.2016, Clara Bahrs (Gastschreiberin)

Ein wichtiges Gespräch

Life On The Border


Am Donnerstag um 15 Uhr wurde einmalig auf dieser Berlinale der Dokumentarfilm Life on the Border gezeigt, der über Kinder und deren Schicksale berichtet, die in den Flüchtlingslagern Kobane und Shingal notuntergekommen sind.
Viele Zuschauer waren tief betroffen, die Tränenspuren auf ihren Gesichtern klar zu erkennen.
Beklemmende Stille erfüllt den Saal, als der Abspann läuft.
Umso wichtiger, dass über diesen Film gesprochen wird. Auf der Bühne wird extra umgebaut, sodass nun Sessel dort stehen, in denen sich der Filmemacher Bahman Ghobadi und die Produzentin, die Moderatorin und eine Dolmetscherin niederlassen.

Und das einstündige Publikumsgespräch beginnt. Die ganze Zeit über ist es auffallend still. Viele sind noch zu geschockt, um großartig Lärm zu machen. Diejenigen, die den Saal verlassen, tun es sehr leise.

Die Moderatorin beginnt damit, von der Sprachlosigkeit zu sprechen, die der Film hinterlässt. Dass er jedoch gleichzeitig versuche, denjenigen, die sich in diesen schrecklichen Situationen befinden, eine Stimme zu geben. Eine Stimme, mit der sie davon berichten können.

Nun spricht zum ersten Mal der Produzent Bahman Ghobadi. Er habe viele Monate mit den Kindern verbracht. Eine Zeit, in der er mit so schlimmen und tragischen Schicksalen konfrontiert wurde, dass er nach Fertigstellung des Films einige Zeit brauchte, bis er es über sich bringen konnte, den Film erneut anzugucken.
Mir geht es ähnlich. Bevor ich dieses Gespräch niedertippen konnte, brauchte ich erst mal einige Tage Abstand, in der ich in Ruhe über alles nachdenken konnte. Erst jetzt fühle ich mich in der Lage, noch einmal diese Unterhaltung zu durchleben.

Die nächste Frage bezieht sich auf die Tatsache, dass Bahman Ghobadi diesmal bewusst nicht selbst Regie geführt hat, sondern den Kindern die Möglichkeit gegeben hat, ihre Geschichten völlig autonom zu erzählen und ihnen in diesem Sinne auch die komplette Regie überlassen hat.

Bahman Ghobadi: „Als der Krieg begann, flogen eine Menge Journalisten in das Kriegsgebiet und interviewten dort die Menschen und auch die Kinder. Manchmal durften die Kinder auch tatsächlich reden, aber wir wollten das Leben der Kinder wirklich aus ihren Augen erzählen. Aus den Augen derer, die tatsächlich diese schlimmen und tragischen Dinge erlebt haben. Wir wollten, dass sie ihre eigenen Geschichten erzählen und hierfür ihre eigenen Techniken benutzen.“

Die nächste Frage geht um die Arbeit mit den Kindern und was Bahman Ghobadis Schwerpunkte in seiner Filmvermittlung gewesen wären.

Bahman Ghobadi: „Wir haben in vier verschiedenen Camps gefilmt und in jedem Camp jeweils ein paar Monate verbracht, sodass wir insgesamt ungefähr auf 7/8 Monate kamen. Wir waren insgesamt 6 Leute im Team. Zusammen haben wir den Kindern zuerst beigebracht, wie man Filme macht, wie man als Filmemacher arbeitet und wie man ein Szenario schreibt. Sie haben sich sehr clever angestellt und sehr schnell gelernt. Und auch wenn die Zeit zusammen sehr hart war, weil es unglaublich schwierig war, von diesen ganzen Schicksalen zu erfahren, hatten wir doch auch eine tolle Zeit zusammen.

Die Geschichten, die im Film gezeigt werden, sind alle wahr. Das haben die Kinder so wirklich erlebt. Ich habe hunderte unterschiedliche sehr schlimme Geschichten von Kindern gehört und es war sehr hart, auszusuchen, welche nun in den Film kommen.
In jedem Camp haben wir ungefähr 20 Kinder unterrichtet und natürlich war für die Auswahl der Geschichte die Geschichte an sich sehr wichtig, aber auch wie sich die Kinder angestellt haben, was für ein Talent sie hatten, wie sehr sie diese Geschichte umsetzen konnten und wie viel sie ihnen bedeutete.“

Anschließend wird auf die Produktionsumstände eingegangen. Die Produzentin berichtet, dass sie zuvor noch nie in einem Flüchtlingslager gewesen war und es für sie allein schon deswegen von Anfang an sehr schwierig war. Zu sehen, wie all diese Leute ihr Zuhause zurückgelassen haben, um dort – in diesen furchtbaren Bedingungen - notunterzukommen. Jedes Mal, wenn sie die Camps besuchte, wollte sie den Kindern etwas mitbringen, irgendwas, Süßigkeiten, Kuscheltiere, einfach irgendetwas, doch es war nie genug.
Auch die Produktion sei sehr schwierig gewesen. Immerhin seien sie von der UN unterstützt worden, doch weil es kaum Ausstattung gab, hätte sich die Produktion als sehr schwierig herausgestellt.

Der Filmemacher habe tatsächlich auch immer noch Kontakt zu den Kindern und er hätte sich sehr gewünscht, dass es den Kindern möglich gewesen wäre, auch nach Berlin zu kommen, aber da keines der Kinder einen Reisepass besitzt, war das leider unmöglich. Auch seien die Sicherheitsvorkehrungen in den Flüchtlingslagern so hoch, dass es kaum möglich wäre, im Camp neue Papiere zu bekommen. Sie hätten auch Unterstützung vom deutschen Konsulat in Kurdistan und auch von der Berlinale gehabt, aber leider hätte es einfach nicht geklappt.
„Meiner Meinung nach ist es nicht mein Recht, hier oben zu sitzen, sondern das der Kinder. Es ist ihr Film, es sind ihre Geschichten. Sie müssten hier sein, um darüber zu sprechen.“ Leider sei es ihm nun erst mal nicht mehr möglich, in diese Lager zurückzukehren – er hätte sehr gerne noch weitere Filme mit ihnen gedreht – aber er sei nun ISIS leider nicht mehr unbekannt und könne sich aus Sicherheitsgründen dort erst mal nicht mehr sehen lassen.

Bisher hätten die Kindern den Film noch nicht gesehen, aber die Produzentin erzählt davon, dass sie planen, nach der Berlinale dorthin zurückzukehren und ihn alle gemeinsam zu schauen.
Daraufhin schlug eine Frau aus dem Publikum vor, für die Kinder ein Video mit begeisterten Jubelrufen zu drehen, um ihnen anschließend die Reaktion des Publikums präsentieren zu können, wo sie nun leider nicht vor Ort hatten dabei sein können.
Der ganze Saal brach in tosenden Beifall aus.


Nun wendet sich das Gespräch dem Thema zu, warum nicht auch in der Türkei in Flüchtlingslagern gedreht wurde, da die Situation dort schließlich auch sehr kritisch sei und wie Bahman sich bei dem Gedanken an die Geschehnisse in der Türkei fühle.
Das Filmteam hätte leider keine Möglichkeit gehabt, einen Film über das ganze Gebiet zu drehen, könnte es sich aber durchaus für zukünftige Filme vorstellen. Die Situation dort sei natürlich furchtbar. Im Grunde handle es sich um Genozid. Seiner Meinung nach sollten sie den Konflikt dort einfach gehen lassen. In solchen Situationen sollte wirklich jeder erkennen, dass nun Verantwortung übernommen werden muss. Man sollte nicht wegsehen, sondern sich damit beschäftigen und sich engagieren.

Zum Ende hin wollte Bahman Ghobadi noch einen Brief vorlesen, den die Kinder verfasst hatten, weil sie leider selber nicht kommen konnten. Einen Brief an Merkel:

„Liebe Frau Merkel,
wir Kinder aus Shingal und Kobane danken Ihnen so sehr, dass Sie den Flüchtlingen, die in Ihr Land kommen, Ihre Arme öffnen. Wir haben einige Monate mit den Filmemachern rund um Bahman Ghobadi verbracht. Während dieser Zeit haben wir diesen Film Life on the Border gemacht. Wir sind sehr glücklich, dass dieser Film auf der Berlinale gezeigt wird. Es tut uns sehr leid, dass wir nicht persönlich kommen konnten, aber leider fährt kein Bus aus Kurdistan nach Berlin.
Liebe Frau Merkel, wir wissen, dass sie häufig im Fernsehen sind und daher nicht viel Zeit haben. Dennoch würden wir uns sehr, sehr freuen, wenn Sie es schaffen würden, unseren Film anzusehen. Es war sehr schwer, diesen Film zu drehen. Wir wären sehr glücklich, wenn wir irgendwann selber Filmemacher werden könnten. Um bessere, größere und stärkere Filme zu machen. Bitte senden Sie uns keine Waffen, senden Sie Kameras, damit wir der ganzen Welt unser Leid und unsere Welt zeigen können.
Liebe Frau Merkel, vielleicht ist es Ihnen irgendwie möglich, den Krieg in unseren Heimatländern zu beenden und uns unsere Heimatstädte zurückzugeben, damit wir Sie nicht noch mehr stören, indem wir als Flüchtlinge nach Deutschland kommen. Wir wollen zurück in unsere Heimatstädte, sie wieder aufbauen, dort leben, wo wir gelebt haben. An Orten mit Büchereien, Kinos und Vergnügungsparks. Wir haben nichts davon. Wir haben kein zuhause, keine Büchereien, keine Kinos, keine Vergnügungsparks.
Liebe Frau Merkel, wir wünschen Ihnen, dass Sie immer gesund sind und hoffen, dass dieser Brief Sie erreicht. Hoffentlich können Sie auf unseren Brief antworten. Wir danken der Berlinale, dass sie unseren Film hier gezeigt haben.
Mit freundlichen Grüßen,
Sami Hossein, Basmeh Soleiman, Hazem Khodeideh, Zohour Saeid, Delovan Kekha, Ronahi Ezaddin, Mahmod Ahmad, Diar Omar“

Ganz zum Abschied kommt noch ein Mädchen nach vorne, die aus Shingal kommt und nun als Flüchtling in Berlin lebt, um ein Gedicht vorzutragen:

"Mein liebstes Shingal,
meine liebste Stadt, die immer geschienen hat,
schon wieder ist hier Blut und das Schreien der Kinder,
das Schreien und Weinen der Mädchen,
niemand war zu jener Zeit dort, um mein liebstes Shingal zu verteidigen,
Shingal ist voll von Blut und berührenden Bildern,
hier gibt es nichts als Staub,
wird es uns jemals möglich sein, zu dir, auf deine Straßen, zurückzukehren?
Zurückzukehren zu deiner Schönheit, zu deinem Scheinen?
Mein Shingal ist ermordet und verkauft worden,
Unsere Mädchen sind für wenig Geld verkauft worden an furchtbare Menschenrechtsverletzer,
Es ist nichts mehr übrig als die Knochen unserer Kinder
Mein liebstes Shingal, wird es mir möglich sein, zurückzukehren?
Oh Shingal, das Licht wird dunkel
Wie viele Tränen brauchst du, um uns unsere verlorenen Brüder und Schwestern zurückzugeben?
Wie viele Tränen von Müttern brauchst du, um ihnen ihre Kinder wiederzugeben?
Shingal war voller Feinde,
Seit dem 3. August 2013 werden wir Kinder von Steinen erdrückt.
Die Alten starben an Durst und Hunger.
Wir werden diesen Tag nie vergessen."

22.02.2016, Sarah Gosten

Die Wünsche zweier alleingelassener, ausgestoßener Kinder

Die kleine Sun ist sehr einsam: in ihrer Klasse wird sie gemobbt, ihre Eltern arbeiten den ganzen Tag in der Fabrik und nach der Schule muss die Zehnjährige auch noch auf ihren kleinen Bruder aufpassen.
Als endlich die Sommerferien beginnen, scheint auch noch der letzte Traum zu platzen: für die lang ersehnte Reise ans Meer fehlt das Geld. Doch dann taucht die selbstbewusste Jia auf und freundet sich mit ihrer neuen Klassenkameradin an. Die beiden verbringen eine glückliche Ferienwoche miteinander, bis Jia sich plötzlich komisch benimmt und sich immer mehr von Sun zurückzieht.

In ihrem Langfilmdebüt erzählt die koreanische Regisseurin Yoo Ga-eun, die 2014 den gläsernen Bären für ihren Kurzfilm Sprout gewann, von den Wünschen zweier alleingelassener, ausgestoßener Kinder.
Jia's Mutter arbeitet angeblich in England und hat nie Zeit für sie, weshalb sie bei ihrer reichen, sehr strengen Großmutter wohnt. Eifersüchtig auf die liebevolle Beziehung, die Sun und ihre Mutter haben, fängt Jia in der Schule an, Sun vor ihren Mitschülern bloß zustellen, bis die ausgeschlossene Sun den Spieß umdreht und die Situation eskaliert.

In pastellnen Fraben erzählt dieser Film die berührende Geschichte eines kleinen Mädchens, das sich nichts mehr als eine Freundin wünscht und immer wieder zurückgestoßen wird, dabei bleibt die sehr respektvolle Kamera immer liebevoll auf Augenhöhe mit der kleinen Protagonistin.
Anders als in den vorherigen fern-ost asiatischen Filmen, die ich bis jetzt gesehen habe, ist dieser voll von gezeigten Emotionen, auch habe ich hier zum ersten Mal eine Mutter aus diesem Kulturkreis gesehen, die wirklich liebevoll mit ihrem Kind umgeht.
Offen bleibt für mich jedoch die vielleicht nicht relevante Frage, warum Sun schon zu Anfang der Geschichte in ihrer Klasse die Außenseiterin ist.

Woorideul ist kein klassischer Mobbingfilm, es geht vielmehr um allein gelassene Kinder, und diese Geschichte wird mit bestechender Klarheit erzählt.

22.02.2016, Hannah Kähler (Gastschreiberin) 15 Jahre

KPlus Preisverleihung

Preise der Internationalen JuryAwards of the International Jury

Langfilm • Feature Film

Der Hauptpreis der Internationalen Jury für den besten Langfilm geht an Rara
The Grand Prix of the International Jury for the best Feature Film goes to Rara

Die lobende Erwähnung der Internationalen Jury für den besten Langfilm geht an Young Wrestlers
The Special Mention of the International Jury for the best Feature Film goes to Young Wrestlers

Kurzfilm • Short Film
Der Hauptpreis der Internationalen Jury für den besten Kurzfilm geht an Semele
The Grand Prix of the International Jury for the best Short Film goes to Semele



Die lobende Erwähnung der Internationalen Jury für den besten Kurzfilm geht an Aurelia and Pedro
The Special Mention of the International Jury for the best Short Film goes to Aurelia and Pedro


Preise der Kinderjury • Awards of the Youth Jury



Langfilm • Feature Film
Der Gläserne Bär der Kinderjury für den besten Langfilm geht an Ottaal
The Chrystal Bear for the Best Feature Film awarded by the Youth Jury goes to Ottaal



Die lobende Erwähnung der Kinderjury für den besten Langfilm geht an Jamais Contente
The Special Mention of the Youth Jury for the best Feature Film goes to Jamais Contente

Kurzfilm • Short Film
Der Gläserne Bär der Kinderjury für den besten Kurzfilm geht an Fabrizio's Initiation
The Chrystal Bear for the Best Short Film awarded by the Youth Jury goes to Fabrizio's Initiation



Die lobende Erwähnung der Kinderjury für den besten Kurzfilm geht an Ninnoc
The Special Mention of the Youth Jury for the best Feature Film goes to Ninnoc

14 Plus Preisverleihung - Die Preise

Preise der Internationalen JuryAwards of the International Jury

Langfilm • Feature Film
Der Hauptpreis der Internationalen Jury für den besten Langfilm geht an Las Plantas
The Grand Prix of the International Jury for the best Feature Film goes to Las Plantas (Plants)


Die lobende Erwähnung der Internationalen Jury für den besten Langfilm geht an Zhaleika
The Special Mention of the International Jury for the best Feature Film goes to Zhaleika


Kurzfilm • Short Film
Der Hauptpreis der Internationalen Jury für den besten Kurzfilm geht an A Night in Tokoriki
The Grand Prix of the International Jury for the best Short Film goes to A Night in Tokoriki


Die lobende Erwähnung der Internationalen Jury für den besten Kurzfilm geht an The Body Is A Lonely Place
The Special Mention of the International Jury for the best Short Film goes to The Body Is A Lonely Place

Preise der Jugendjury • Awards of the Youth Jury

Langfilm • Feature Film
Der Gläserne Bär der Jugendjury für den besten Langfilm geht an Es Esmu Seit (Mellow Mud)
The Chrystal Bear for the Best Feature Film awarded by the Youth Jury goes to Es Esmu Seit (Mellow Mud)



Die lobende Erwähnung der Jugendjury für den besten Langfilm geht an Las Plantas
The Special Mention of the Youth Jury for the best Feature Film goes to Las Plantas (Plants)

Kurzfilm • Short Film
Der Gläserne Bär der Jugendjury für den besten Kurzfilm geht an Balcony
The Chrystal Bear for the Best Short Film awarded by the Youth Jury goes to Balcony



Die lobende Erwähnung der Jugendjury für den besten Kurzfilm geht an The Body Is A Lonely Place
The Special Mention of the Youth Jury for the best Feature Film goes to The Body Is A Lonely Place

Die Kinder ohne Kindheit

Drei der berührendsten und ernstesten Filme des diesjährigen Generation Programmes beschäftigen sich mit Kindern oder Jugendlichen, denen durch schreckliche Erlebnisse ihre Kindheit gestohlen wurde.
Für mich sind diese drei Filme, trotz ihres ernsten Themas und der bedrückenden Stimmung, einige der Besten des diesjährigen Programms.

Die Dokumentation „Royahaya dame sobh“ (Starless dreams) gibt einen sehr intimen Einblick in ein iranisches Rehabilitationszentrums in dem minderjährige Mädchen, wegen krimineller Delikte einquartiert sind. Die Mädchen erzählen von ihrem Leben und von ihrem Leiden: von Drogenkonsum, Gewalt und Mord. Obwohl „Starless dreams“ eine Dokumentation ist, sieht man keine Wackelnde Kamera oder unscharfe Bilder. Der Film ist gut gefilmt und hervorragen geschnitten so, dass er auch einen künstlerisch hohe Leistung erbringt.
 Mich hat dieser Film sehr getroffen, durch seine ehrliche einfühlsame und schockierende art das Leben der Mädchen zu beschreiben.
Obwohl dieser Film sehr bedrückend ist, schimmert doch ab und zu ein Sonnenstrahl in das Leben der Mädchen. Wenn man dann in den Augen der Mädchen ließt, dass sie für diesen einen Moment glücklich sind, dass für diesen einen Moment nicht an ihr Leiden denken, möchte man fast weinen.
Mich hat dieser Film schockiert und bewegt und deshalb ist „Royahaye dame sobh“ für mich der beste Film aus dem diesjährigen 14+ Programm.

Auch „Ortaal“ der gläserne Bär Gewinner der Sektion K+, war für mich einer der besten Filme im Programm. Mit Ernsthaftigkeit und doch auf nicht all zu bedrückende Weise, thematisiert dieser Film das Thema Kinderarbeit. Wie der Regisseur im Publikumsgespräch erzählt, ist Kinderarbeit in Indien ein großes Problem. Doch der Film geht auch auf andere aktuelle Probleme in Indien ein, so wie die schlechten Bildungsmöglichkeiten und die sozialen und ökonomischen unterschiede durch die Klassengesellschaft.
Darüber hinaus beschreibt „Ortaal“ auf einfühlsame Art das zärtliche Verhältnis zwischen Großvater und Enkelsohn. Kuttappayi lebt nach dem Tod seiner Eltern, einen Sommer lang mit seinem Großvater in der wunderschönen Natur Südindiens.
Hier sieht man Menschen die sich alten Traditionen bedienen, so wie das Fische-fangen mit einem Korb den man auf den Boden des Flusses stößt. Diese Form des Fischfangs wird Ortaal genannt.

Die ruhige Kamera und die fantastischen Landschafsaufnahmen verschlagen mir, auch als ich den Film ein zweites mal bei der Preisverleihung sehe, immer noch die Sprache.
Die authentischen Schauspieler tragen den Film und lassen einen nie den Bezug zur Realität verlieren.
Im Laufe des Filmes wird immer deutlicher, welche wünsche Kuttappayi hat: lernen, Freunde und Familie. Drei Wünsche, die man jedem Kind erfüllen will. Doch Kuttappayi und über 15 000 andere Kindern wird dieser Wunsch nie erfüllt werden. Ihr Alltag besteht aus Arbeit, Gewalt und Demütigung. Für Zärtlichkeit und eine fröhliche Kindheit ist hier kein Platz.
20.02.14, Liv Thastum

Rhythmik und Vielfalt- Kurzfilme 1


Während man noch im Kino sitzt, und die Kurzfilme hintereinander an einem vorbeirauschen, hat man wenig Zeit sich zu jedem einzelnen Gedanken zu machen. Doch gerade das, sollte man unbedingt tun. Auf der Fahrt nach Hause gibt es dann endlich etwas Zeit dafür.

Keiner dieser Filme suggeriert eine einzige Interpretationsweise. Dafür ist die Handlung zu vielschichtig. Jeder Besucher sieht die kurzen Werke anders.
Es gibt selten eine eindeutige Erklärung zu dem, was man gerade sieht und genau das ist das Besondere an der Berlinale. In keinem der Filme, die auf dem Festival gezeigt werden, geht es darum einen klaren, eindimensionalen Handlungsstrang zu präsentieren.
So auch hier. Die meisten Kurzfilme endeten mit einer offenen Frage, einer Botschaft oder manchmal sogar mit einer Moral.
Blind Vaysha“ hieß das 15 minütige Werk, das mich sofort begeistert hat. Die Ästhetik dunkel gehalten, ist das gezeichnete Bild ständig in Bewegung. Ruhige, aber rhythmische Musik, lässt die Personen surrealistisch wirken.
Die Idee war einfach faszinierend. Vaysha sieht auf einem Auge die Vergangenheit, auf dem anderen die Zukunft. Ein zweiseitiges Bild, was dem Zuschauer fantastisch gezeigt wird. Während wir einen kurzen Einblick in das Leben dieser Person bekommen, versinkt man nahezu perfekt in diese Welt, indem sich alte Frauen oder Greise rhythmisch und tänzerisch bewegen, und gleichzeitig als kleine Kinder dargestellt werden. Dazwischen wird immer wieder das Motiv der zugleich auf und abgehenden Sonne eingeblendet.
Die Botschaft an die Zuschauer lautet: abwechselnd ein Auge zumachen. Es erscheint einerseits ein leeres Blatt, die Geburtsstunde, andererseits die Dunkelheit.
Ein Werk, das über unsere Vergangenheit und Zukunft nachdenken lässt. Kurz vor dem Ende gibt es noch eine Aufforderung an die Zuschauer, mehr wie Vaysha zu denken.
Diese Idee hätte man noch so viel weiter ausschöpfen können und voller unerwarteter Wendungen gestalten können, dass ein einfacher Einblick in ihre Situation keineswegs langatmig geworden wäre. Jedoch sind wir hier bei den Short Films.
Die Leinwand wird nur hell, um sofort wieder dunkel zu werden.
Wir sehen, trotz des heißen Sommers, eine dunkle Wolke über Berlin ziehen. „Berlin Metanoia“ ist eine verrückte Collage über die verrückteste Stadt des Universums. Auch wenn dieser Film aus einem riesigem Chaos besteht, scheint es doch einen roten Faden zu geben.
Hier trifft eine Art Mockumentary über die Menschen der Stadt auf eine Botschaft an dessen Bewohner. Lachen kann man genug während des kurzen Films. Zum Beispiel über die Parodie einer Eilmeldung im Fernsehen oder über einen gutgelaunten Tonmeister im Studio. Auch die Touristen der Stadt sind satirisch dargestellt. Es wurde versucht einen Eindruck dieser unbeschreiblichen Stadt zu liefern.
In Berlin gibt es keine Grenzen. So wie die Wolke über der Stadt, verschlingt der hektische Rhythmus die Bewohner Berlins. Eine Frau mit brennenden Haaren, der bis zum Schluss keiner hilft, rennt verzweifelt umher. Doch statt Zivilcourage zu zeigen, zündet sich eine Person eine Zigarette an ihr an.
Sind das subtile Anspielungen, dass wir Berliner die Menschen anders sehen?

Zuletzt bekommt das Publikum kurz einen Ausschnitt aus Kores Leben zu sehen. Sie arbeitet als Hörspielsprecherin und nimmt gerade im Studio auf. Sie kann sich aber nicht konzentrieren, da ihr zu vieles durch den Kopf geht. Berlin Metanoia endet damit, dass sie sich einem aus dem Zoo geflüchtetem Bären als einzige stellt. Sei mutig wie ein Bär und nimm dir Zeit, die Stadt zu bewundern.

Eine Menge Elemente des Widerspruchs kommen im Film vor. Es geht vom Punkrocker, der zum SEK Polizisten mit Gewehr wird bis zum vermeintlichen Obdachlosen, der zum Anzugträger mit Aktenkoffer wird, als er sich plötzlich von seiner Luftmatratze unter der Brücke erhebt.
Auch ein verträumter Hipster, der über Berlins Geschichte liest und sie dann mit eigenen Augen erlebt wird auf die Leinwand projiziert. Für jedes dieser Elemente gibt es verschiedene Interpretationsideen, die sich jeder individuell zu Recht legen soll. Warum sind wir immer noch in dem „Kasten-denken“ gefesselt?
Der Obdachlose könnte genau so gut Manager sein, sowie auch der Punker genauso gut die Stadt beschützen kann... Sicher ist, dass die Vielfalt und die Verrücktheit die Berlin ausmacht, hier interessant präsentiert wurden.
Nun zu „Sensiz“, dem ersten Film des Abends. Anfangs war er so verwirrend, dass ich ihn nicht verstand und er mir dadurch nicht zusprach. Doch es heißt ja: „mit Zeit, kommt Rat“ und so hatte ich plötzlich den Einfall.
Im Film sind zwei Brüder auf dem Weg zum mutmaßlichen Geburtstag des dritten Bruders. Als sie eine Panne haben, wandern sie zu Fuß durch die Steppe um rechtzeitig anzukommen. Bei Sonnenuntergang erreichen sie das Ziel. Jedoch ist es weder ein Haus noch ein Fest.
Dem Zuschauer offenbart sich ein sehr altes Wrack eines Autos. Frontal an einen Baum gefahren, scheint es seit mehreren Jahren dort zu stehen.
Die Jungen knien sich kurz vor das Auto, zünden während des Sonnenuntergangs eine Feuerwerksbatterie an und setzen sich schweigend auf das zertrümmerte Auto.
Auch wenn es einem jetzt einleuchtet, ist diese Geschichte erst beim zweiten oder dritten Blick zu erkennen. Die träumerische, melancholische Stimmung in der fernen Steppe und die zwei Brüder, die statt Tränen zu vergießen, den Bruder mit ihrer eigenen Tradition würdigen, reißen das Publikum kurz in eine ferne Welt.

Es gab viele gute, verschiedene Filme an diesem Abend. Doch meiner Meinung nach erreichte keiner das unglaublich hohe Niveau der drei oben beschriebenen Filme. Einen Besuch sind die „short film nights“ auf jeden Fall wert!
20.2.2016, Eva Swiderski & Thomas Kuhn (Gastschreiber)

Am Ende denkt doch eh jeder an sich...

6A, ist für einen Langfilm ein ziemlich kurzer Film, 61 Minuten lang darf der Zuschauer an einem Elternabend teilhaben, nicht ganz, denn drei Schülerinnen sind anwesend. Denise, Bella und Mina sind gekommen, denn eigentlich geht es um sie, um ihre Position in der Klasse und darum an der allgemeinen Situation in der Klasse etwas zu verändern...! Um nochmal kurz auf die Filmdauer zurück zu kommen, der Regisseur erzählt nach dem Screening, dass der Film eigentlich als Kurzfilm geplant war und es dann doch so viel gutes Material gab, sodass sie sich entschieden einen kurzen Langfilm daraus zu machen. Es gibt aber auch eine Version welche 30 Minuten lang dauert.
Ich kann nicht pauschal sagen, ob ich den Film eher gut oder schlecht finde. Er versucht, auf interessante Weise, uns an den Geschehnissen in diesem Klassenzimmer teilhaben zu lassen. Dadurch, dass der komplette Film mit nur einer Kamera gefilmt wurde, hatte ich als Zuschauer das Gefühl, dass ich dabei bin, in diesem schwedischen Klassenzimmer. Mal sitze ich in der Mitte des Sitzkreises, mal bin ich ausserhalb und sehe, leider, nicht alles. Das ist nämlich einer meiner Kritikpunkte, ich kann nicht alles sehen und es gibt keine schnellen Wechsel zwischen dem was mir gezeigt wird. Manchmal sehe ich nicht wer grade spricht, ok mag man sagen, aber auch nur dann, wenn kurz etwas gesagt wird. Sobald jemand wirklich länger redet, will ich wissen wer das grad sagt. Um einordnen zu können, in welchem Verhältniss diese Person zu der ganzen Situation steht.
Eins zeigt der Film sehr gut: am Ende denkt jeder an sich. Eine scheinbare Lösung wird gefunden und man freut sich über die Lösung eines Problems, welches eigentlich nicht mehr wirklich wichtig ist. Nach einer Stunde verabschiedet man sich voneinander und verbleibt damit, sich nochmal zu treffen.

Wahrheitsgetreu mag das sein, aber ich, als Zuschauer, bin damit nicht wirklich zufrieden.
6A ist ein durchaus sehenswerter Film, welcher sehr nah an der Wirklichkeit bleibt, fast zu nah...
19.02.16, Mia

Kleine Perlen

Oft haben mich die Kurzfime der Berlinale nicht sehr begeistert, doch im diesjährigen Kurzfimprogramm, der Sektion Generation 14+, lassen sich bewegende Filme finden.
Diese drei Kurzfilme wahren für mich die schönsten Perlen.

Der Ukrainische Kurzfilm „Sensiz“ (Without you) hat mich durch seine Schlichtheit berührt.
Nach einer Autopanne machen sich zwei junge Männer zu Fuß auf, um ihren Bruder zu sehen.
Es passiert nicht viel, aber im Sonnenuntergang entstehen sehr schöne Bilder und als einer der beiden anfängt ein altes ukrainisches Volkslied zu singen, wird nicht nur sein Begleiter, sondern auch das Publikum berührt.
Nach dem Film erzählt der Regisseur Nariman Aliev, dass dieser Film seinem Bruder gewidmet ist, der vor 6 Jahren bei einem Autounfall gestorben ist. Dieses Geständnis lässt einen hinterher noch einmal mit anderen Augen auf den Film schauen und schenkt der Geschichte des Filmes Bedeutung.

Ein fantastischer Kurzfilm und für mich der herausragende aus diesem Programm, ist der kanadische Animationsfilm „Blind Vaysha“. Ich bin normalerweise überhaupt kein Fan von Animationsfilmen, aber dieser hat mich sehr beeindruckt!
Die Bilder des Filmes wurden durch Holzschnitt geschaffen um, wie der Regisseur erzählt die Vergangenheit und die Zukunft zu vereinen. Das ist es auch, was Theodore Ushev vermitteln will, denn als Ausgangspunkt für seinen Film wählt er die Geschichte der blinden Vaysha, transportiert diese aber gegen Ende in die Gegenwart und spricht den Zuschauer direkt an.
Legende vermischt sich mit Wirklichkeit, Vergangenheit mit Zukunft.
Mich hat dieser künstlerische Kurzfilm bewegt und zum Nachdenken angeregt, denn dieser Film bietet trotz seiner 8 Minuten Länge, mehr Interpretationsmöglichkeiten als so mancher Spielfilm.

In „A night in Tokoriki“ sieht man eine Gruppe Jungs mit einer Pferdekutsche eine Landstraße in Rumänien entlang fahren. Dazu hört man coole Musik. Die Jungs sind auf dem weg zu Geaninas Geburtstagsfeier. Sie feiert in einem schäbigen Gebäude, das nur durch ein blinkendes Schild mit dem Wort Disco, als solche erkennbar ist.
Lustige Musik und die Tanzstiele der Gäste, geben einem genügend Möglichkeit mehr als einmal zu Grinsen. Ich habe mich bei diesem Film köstlich amüsiert und würde ihn jeder Zeit wieder sehen.
19.02.14, Liv Thastum

The past and the future

Blind Vaysha is a short film, which totally impressed me!!! Vaysha, born with a green and a brown eye and does not see the present, just the past and the future, each with one eye. The director used woodcut to tell us the story and show us what Vaysha sees. At the Q&A, after the screening, the director told, that he only needed 8 months to produce all the woodcuts. Very impressive!!!
Vaysha only sees the past and the future, thats why she is not able to fall in love with any boy or man. Also the audience just see the men as young boys and as very old mens. I totally understand, that Vaysha can not fall in love with any of these!
The movie showed me how important it is for us to live in the present and to see the present! Even if we sometimes want to know what will happen in the future or want to go back to something that happend in the past... It is meant to be like it is. I think we would not enjoy the present, if we knew what will happen in the future.
19.02.16, Mia

Life On The Border


Life On The Border ist der härteste, meistberührende und bedrückendste Film, den ich bisher auf dieser Berlinale gesehen habe. In ihm berichten Flüchtlingskinder aus Kobane und Singal von ihren schrecklichen Schicksalen.
Der Regisseur Bahman Ghobadi überlässt es den Kindern, ihre Geschichten selbst zu erzählen und zu gestalten. Nach einer kurzen Einführung in die Filmwelt, wie gute Geschichten funktionieren, wie sie den Zuschauer berühren und nicht langweilig werden, hat er nun den Kindern die Kamera und Regie überlassen.
Das Ergebnis ist furchtbar belastend. Der Regisseur selbst meint, dass er den Film, nachdem er fertig geschnitten war, ewig nicht noch einmal angucken konnte.

Hintereinander weg werden dem Zuschauer die Einzelgeschichten präsentiert, nur abgegrenzt mit Bild und Name des nächsten Regie-führenden Kindes und kurzer Zwischenmusik, die man gegen Ende hin immer mehr verabscheut und fast mit Angst kommen sieht - aus Furcht vor dem nächsten schlimmen Schicksal, was man nun sehen würde.
Ihre Geschichten sind furchtbar. Viele aus dem Publikum weinen, sind zu verstört, um nach dem Film großartig zu reden. Ein einstündiges Publikumsgespräch folgt, das Viele berührt.

Life On The Border hat mich sprachlos und sehr nachdenklich zurückgelassen. Der Film hat mich noch lange beschäftigt. Ich war fassungslos.
Es ist furchtbar, dass die Flüchtlinge sich noch nicht mal wünschen, menschenwürdiger unterzukommen. Ihr einziger Wunsch ist es, dass ihre Familienmitglieder aus der Hand ISIS’ befreit werden. Alles andere ist ihnen egal.

Dass Life On The Border im Programm ab 12 Jahren empfohlen ist, finde ich völlig unverantwortlich. Natürlich ist es wichtig, dass auch Kinder über die Flüchtlinge Bescheid wissen, aber dieser Film ist eindeutig zu hart.
Auch wenn die Kinder ihn sorgfältig geplant haben, stellen all diese Geschichten ihre wahre, furchtbare Vergangenheit dar, weswegen der Film auch viele Erwachsene sehr schockiert hat. Die Moderatorin musste ihre Tränen unterdrücken, als sie den Film ankündigte.

Ein sehr harter, aber unglaublich wichtiger Film in unserer momentanen politischen Situation. Man muss den Menschen vor Augen führen, was in Syrien und Irak da vor sich geht.

English Version

Life On The Border is the hardest, most touching and most oppressing movie I have seen so far on this Berlinale. In it children of the refugee camps in Kobane and Shingal share their horrific stories.
Director Bahman Ghobadi lets the children themselves become directors and show us their stories the way they want to. After teaching them a bit about how to make a movie, about what is important for a good touching story that will not get boring he leaves directing to the children.
The outcome is horribly weighing down. The director himself said that he was not able to watch the finished movie for a few months.

One after the other the audience gets shown all these children’s stories only separated by briefly showing a picture and the name of the director of the upcoming clip accompanied by always the same music, which you increasingly detest and fear because you never know what terrible story comes after this music.
It is awful. Many people of the audience cry, are too shocked to say much after the film is finished. A very touching one-hour Q&A follows.

Life On The Border left me speechless and thoughtful. I was aghast and thought about it for a long time.

I think Life On The Border is a very important movie in our current political situation. You have to really show the people what is going on in Syria and Iraq.

19.02.2016, Sarah Gosten

Ein Bollywood-Film auf der Berlinale?


Ohrenbetäubende Stille herrscht im Saal, als der Film zu Ende ist. Das hatten die Zuschauer so nicht erwartet.

Sairat spielt in Indien und erzählt die herzzerreißende Geschichte zweier Liebender aus unterschiedlichen Kasten, denen es dadurch verboten ist, sich zu lieben, geschweige denn zu heiraten. Generell ist die wahre Liebe in Indien nur sehr selten. Die jungen Leute werden zwangsverheiratet, von „Liebeshochzeit“ spricht man, wenn sich die beiden schon seit der Kindheit kennen. Kein Wunder also, dass sich der indische Filmmarkt auf dieses Thema stürzt und in zahlreichen Bollywood-Filmen verarbeitet.
So auch in Sairat.

Wer bisher noch nie eine Bollywood-Produktion gesehen hat, denkt vermutlich zunächst, er sitze im falschen Film. Während der ersten Hälfte des dreistündigen Films wird nämlich schönster und theatralischster Bollywoodstil geliefert.

Der arme Protagonist Parsha ist unsterblich in die schöne, leider aus einer reichen Kaste kommende Aarchi verliebt. Unterstützt von dramatischer Musik, emotionalen Slow-Motions und völlig übertriebener Ausdrucksweise versucht er in paradiesischen Szenen, ihr Herz zu erobern. Die total kitschige Musik, in der er davon spricht, dass sie sein Ein und Alles ist, bringt schonmal den halben Kinosaal dazu, völlig perplex und entsetzt ob solcher Bollywood-Dramen in krampfhaftes Lachen auszubrechen. Sitznachbarn blicken sich fassungslos an, versuchen ihr Kichern zu unterdrücken.

Nachdem Parsha es auf charmante, lustige und sehr unterhaltsame Weise geschafft hat, Aarchis Herz für sich zu erobern, zeigt der nächste Abschnitt des Films, wie unsterblich verliebt die beiden ineinander sind. Natürlich wieder hinterlegt mit dramatischer Musik und total kitschig dargestellt – Bollywood eben.
All dies führt dazu, dass das ungeübte Bollywood-Publikum den Film nicht ganz ernst nehmen kann.
Dennoch werden wunderschöne Szenen der Freundschaft dargestellt, die der Zuschauer auch als solche wahrnimmt und schließlich - wenn man sich mal an das ganze Bombastische des Bollywoods gewöhnt hat und sich darauf einlässt - einen dazu bringen, die Geschichte als doch ganz süß zu akzeptieren.

Vom Zuschauer zunächst unbemerkt schlägt der Film nun allerdings doch recht bald um. Er ist sehr ernst geworden. Nichts ist mehr von dieser übertriebenen Dramatik zu spüren.
Parsha und Aarchi mussten fliehen, um nicht von ihren Familien ihrer unziemlichen Liebe wegen, umgebracht zu werden. Sie werden verstoßen, haben keine Chance zurückzukehren, ohne umgebracht zu werden.
Vom Dorf in die Stadt sind die beiden mit der neuen Situation zunächst völlig überfordert, gehen naiv mit fremden Typen mit, die das arme Mädchen vergewaltigen wollen und haben Glück, dass sie gerade noch von einer Frau gerettet werden.
Sie finden Unterkunft im Slum, eine Situation, mit der gerade Aarchi, aus reichem Elternhaus kommend, nicht zurecht kommt. Die beiden streiten sich. Eine unglaubliche Hoffnungslosigkeit liegt über ihnen.
Aus ihrem alten Leben gerissen scheint es keinerlei Aussicht auf eine positive Zukunft für die beiden zu geben. Auch ihre Beziehung leidet. Sie streiten nur noch, sind völlig überfordert.
Das ist der Teil, der berlinaletauglich ist.

Doch nur allzu bald kehrt die dramatische Musik zurück. Vielen fällt erst jetzt auf, dass sie gefehlt hat. Einige Zuschauer verlassen genervt den Saal. Das war dann doch zu viel für sie.
Schade eigentlich, denn das Ende kommt dann doch etwas unerwartet und gibt dem Film im Nachhinein nochmal eine echt andere Bedeutung.

In seiner Filmbeschreibung kommt Sairat so harmlos daher, bietet letztendlich aber doch einen kritischen Blick auf die indische Gesellschaft im 21. Jahrhundert. Auf diese Einsicht muss man zwar fast zweieinhalb Stunden warten, gibt aber dem Film schließlich das ausschlaggebende Etwas.

Mit seinen 170 Minuten Spielzeit ist Sairat zwar mit Abstand der längste Film im 14Plus Programm. Dennoch schafft er es, nicht langweilig zu werden. Er ist sehr unterhaltsam und wenn man sich einmal an den Bollywoodstil gewöhnt hat, zeigt er auf wunderschöne Weise, wie es ist, verliebt zu sein.

Nun bin ich selbst kein Bollywood-Experte – habe vor diesem bisher nur einen weiteren Bollywoodfilm gesehen – dennoch kann man ihn sicherlich nicht als typisch für diese Szene bezeichnen.
Zum einen liegt das natürlich an dem berlinalmäßigem Zischenteil, zum anderen an der starken Frauendarstellung.
Aarchi ist ziemlich taff, macht in ihrer Beziehung den ersten Schritt und rettet Parsha sogar. Auch werden sie von einer Frau aus ihrer unglücklichen Situation gerettet. Eine Frau ist es, die ihnen hilft, wieder auf die Beine zu kommen.

Der Regisseur arbeitet sehr stark mit der Illusion des Bollywood. Geschickt gliedert er diesen etwas anderen Bollywoodfilm in dieses Genre ein, um ihm dem ahnungslosen Publikum unterzumogeln, bis es erst ganz zum Schluss die wahre Bedeutung des Films erkennt.
Nagraj Manjule hat sich also viel Mühe gegeben, den Film zu tarnen, damit er ihn auch in Indien präsentieren kann. Er hofft, so die Menschen auf die tragischen Liebesfälle zwischen zwei Kasten hinzuweisen, die doch in Indien alle paar Wochen in den Zeitungen stehen, deren Bedeutung aber keiner wirklich zu begreifen scheint. So sei es nun eben. Gegen diese Kastenunterschiede könne man nichts machen.

Alles in allem kann ich Sairat also nur empfehlen. Nehmen Sie sich diese drei Stunden Zeit. Lassen Sie sich auf Bollywood ein, denn im Nachhinein wird Ihnen dieser Film viel Stoff zum Nachdenken liefern. Sairat ist sicherlich ein Film, an den man sich noch lange wird erinnern können.

19.02.2016, Sarah Gosten

Von Jugendlicher Frische inspirieren lassen- Rag Union


In dem russichen Film „Rag Union“ passiert so viel, wie ich es noch in keinem anderen Berlinalefilm gesehen habe. Er lebt von purer Action, bunten Farben, Lichtern und schnellen Lichtern, so dass man gar nicht zur Ruhe kommt. Eine gewisse Hektik zieht sich den ganzen Film über durch, was hier zum Thema passt.
Letztendlich weiß man nicht recht, was „Rag Union“ eigentlich sein soll. Einfach nur der Name für den Freundeskreis unter den Jugendlichen? Eine politische Bewegung? Oder Freunde, die sich gefunden haben, um Sport zu treiben und Kunst zu erschaffen?

Im Fokus steht der ungefähr 17-jährige Vania, der von der seltsamen Truppe fasziniert ist und alles dafür gibt, von ihnen aufgenommen zu werden. Das geschieht zuerst zaghaft, denn man merkt, dass die Gruppe den Hauptcharakter nur ausnutzt. Doch mit der Zeit, wird dem Publikum ein vertrautes Verhältnissen zwischen allen vier Personen zu Erkennen gegeben.
Spektakuläre 4er Pyramiden und starke Disziplin stärken den Zusammenhalt. Gemeinsam erleben die Freunde unglaublich viel, sie feiern, trainieren und machen erste Erfahrungen. Alles läuft gut, bis ein hübsches Mädchen aus dem Nachbarort alles durcheinander bringt.

Zu Beginn des Filmes war mir ein wenig bange, dass das Skript ausschließlich aus russischen Clichès und purer Unterhaltung ohne schwerwiegende Bedeutung besteht. Das war glücklicherweise nicht der Fall, denn die Jungs wurden von verschiedenen Seiten gezeigt. Mit fröhlicher Musik im Hintergrund bekommt man nicht nur die Oberfläche der Gruppe zu Gesicht, sondern einen guten Einblick in ihr Inneres, sprich Gefühle und Denkweise. Durch den actionreichen, vielfältigen Plot kann einem gar nicht langweilig werden. Die Mischung zwischen heimatlicher Traditionen und Emotionen ist sehr ausgeglichen.
Spannend ist, dass offen bleibt, welches Ziel die Jungs anstreben. Trotz ihrer ausführlichen Darstellung, ist es schwierig ihre Gedanken zu durchschauen.
Der Wunsch des Regisseurs Mikhail Mestetskiy war es, den Weg von jungen Menschen zum Erwachsenen zu filmen. Und zwar, indem die Triebe und Sehnsüchte in Form von Ausprobieren und sich auspowern, erkannt werden. So finden sie ihre Stärken und werden sich mit der Zeit sicher, was ihr späterer Beruf sein soll.
Wie schafft man es mit den wenigsten Mitteln auf einem Dorf zu überleben? Auch wenn der 20 Jährige Alexander den Ton angibt, teilen sie sich auch die Aufgaben im Haushalt gut auf. Sie lernen sich selbst und untereinander richtig kennen.
Natürlich herrschen trotzdem chaotische Umstände und schon bald geht die erste Bombe hoch; ein Mitglied von „Rag Union“ fängt an blaue Käfer zu essen, die ihn in Ekstase versetzen.
Durch schnelle Schnitte, loderndes Feuer und Explosionen, ist die Handlung unvorhersehbar. Ein wenig enttäuscht hat mich nur das Ende, was wortwörtlich ein Happy-End war.

Ich wurde sehr überrascht, denn ich hatte ganz andere Vorstellungen vom Verlauf des Films. Auch beachtlich war, dass die Jugendlich eine so große Disziplin aufbringen konnten. Sie haben sich viel Gedanken um ihr Handeln gemacht, was ein weiterer positiver Aspekt ist. Der Ansatz: „Wille kann durch Intensivität in Kraft umgewandelt werden“ gefiel mir. Alles in allem ist der Film ein aufregendes Erlebnis voller Abenteuer. Niemand kann während des Screenings ansatzweise eindösen und ist genau richtig, wenn er sich von der Jugendlichen Frische inspirieren lassen möchte.
18.2.2016, Eva Swiderski

„Who cares about me? Who calls? Who is here to protect me?”


Der junge Sebastian, auch Chaplin genannt, ist ein talentierter Schlösserknacker. Das heißt, dass die Bande, die regelmäßig in Gebäude einbricht, dringend auf ihn angewiesen ist.
Eines Tages tummelt sich der Kern der Gruppe auf einem Schrottplatz herum. Plötzlich kommt die Schwester des Anführers wutentbrannt auf ihn zu gerannt und fragt, wo ihr Laptop sei. Die schöne Emilia verzaubert Sebastian gänzlich und er gibt alles, um ihren Computer zu finden.
Dadurch kommt ihr erstes Treffen zu Stande. Bis jetzt ist dem Publikum noch ungewiss, ob die Zuneigung nur aus gezwungener Dankbarkeit oder auf Grund von Sympathie basiert. Doch Sebastian hat sich längst in sie verliebt. Er sieht sie in einem besonders fesselnden Blick an, der fast schon ein wenig bedrohlich wirkt.
Auf diese Art und Weise driftet er in seine Tagträume, die von sehr kitschig und romantisch bis zu gefühlsvoll reichen. Die Wendung nimmt nach einer Prügelei mit tödlicher Folge ihren Lauf. Nun kann sich der ruhige Chaplin nicht mehr im Umfeld der anderen Kriminellen blicken lassen.
Sebastian kann und will nicht mehr. Er möchte aus dieser Lebenssituation entkommen. Einfach nur weg, neu starten. Raus aus der Drogen- und kriminellen Welt. Und das am liebsten mit seiner großen Liebe Emilia. Jetzt gibt es sowieso nichts mehr, was ihn noch in seiner Heimat hält, die er wahrscheinlich nicht mal „zu Hause“ nennen kann.
Das einzige was Sebastiàn aufheitert, ist Emilia und ihre schönen Gedichte, die seine Gedanken auf den Punkt bringen.

„El sonador“ überzeugt mit langsamen Bildern, schönen Settings, wie z.B. die große dürre Sandfläche. Es wird wenig mit Dialog, sondern mit Mimik und Körpereinsatz gearbeitet. Wunderbar kann man sich in die Lage des Jungen versetzen. Durch die sich langsam immer mehr verschlimmernde Lage, kriegt der Zuschauer selbst ein bedrückendes Gefühl zu spüren. Verzweiflung, die Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit, die er während seiner Kindheit nie bekam, wird zum Ausdruck gebracht.
Dieser Film wird eine große Masse ansprechen, weil jeder schon mal das Gefühl der Unterdrückung erlebt hat. Mir fehlen ehrlich gesagt die passenden Worte, aber der Schrei nach Freiheit und einem „richtigen zu Hause“ ist kein einfach zu bewältigendes Thema.
Der Film ist mit wenigen Spezialeffekten ausgestattet, was in sich sehr stimmig ist. Der Cast passte perfekt, die Beziehungen werden authentisch dargestellt. Das Schlichte, zieht sich durch die ganze Geschichte hindurch, nur selten begleiten Einsätze der melancholischen Musik die Tagträume. Die Kunst des Schauspielens wird hier auf die Probe gestellt, was den Darstellern nur zu Gute kommt.
Der Regisseur „Andriàn Saba“ setzt sich nicht, wie bei vielen anderen Filmen der diesjährigen Berlinale, mit dem Vermischen von Traum und Realität, sondern mit dem natürlichen Tagträumen auseinander. Dadurch hat das Publikum eine größere Chance, sich auf die Gefühle des Hauptcharakters einzulassen. Deswegen kann ich mir vorstellen, dass sich nach dem Screening noch viele Gedanken um dieses Thema gemacht wurden.
Durch das langsame Tempo, mag die Geschichte nicht überaus spannend wirken, aber darauf lag auch nicht der Schwerpunkt. Fesselnd ist „El sonador“ wegen seiner realen Darstellung.

Mein kleiner Kritikpunkt ist allerdings die brutale Gewalt, die so häufig und ausführlich gezeigt wird. An manchen Stellen driften die Tagträume für meinen Geschmack zu sehr in die gewollt-romantische Richtung ab. Auch der Cliffhanger am Anfang störte mich etwas. In der ersten Szene wird ein Blick in die Zukunft gegeben, in der der Protagonist stark verletzt in der Wüste eine Flaschenpost findet, die aber nicht zu entziffern ist. Der Film endet abrundend mit der gleichen Szene, jedoch kann Chaplin jetzt den Text auf dem Zettel erkennen: „Camina“ (zu Deutsch „Lauf“). Was es damit auf sich hatte, blieb unklar. Die positiven Aspekte überwiegen trotzdem weiterhin deutlich und dem Publikum wurde eine gute Botschaft mitgegeben.
Gib nie auf, bleib' stark und gehe deinen Weg.
18.2.2016, Eva Swiderski

"Denk einfach nicht dran!" - "Zu spät."

breef english version below

Solan, ein prahlender Rabe der alles in einen Wettkampf verwandelt und der ängstliche und pessimistische Igel Ludvig nehmen zusammen mit Reodor, der ein großartiger Erfinder ist, an dem Sagen umwobenen Käserennen teil. Dieses Rennen führt von dem Dorf Slidre über tiefe Schluchten, hohe Berge und durch dichte Wälder bis nach Flåklypa. Die Aufgabe ist es einen Käse über diesen abenteuerlichen Weg zu transportieren.

Rasmus A. Siversten schafft es mit seinen liebevoll ausgearbeiteten Figuren das ganze Publikum in seinen Bann zu ziehen. Jeder der Dorfbewohner hat seine ganz persönliche Macke, mit diesem Humor schafft es Siversten sie sympathisch und realistisch erscheinen zulassen, obwohl es zum Teil Tiere sind oder sie übertriebene äußerliche Merkmale haben. Jedes mal wenn Ludvig traurig "zu spät" sagt, nachdem man ihm gesagt hat er soll einfach nicht an das denken, was ihm angst macht, muss das ganze Kino mitleidig lachen. Trotz der vielen Witze ist es auch ein sehr spannender Film, der einen mitfiebern lässt. Dadurch, dass es immer wieder ein vor und zurück zwischen den beiden Mannschaften gibt, bleibt diese Spannung die ganze Zeit über erhalten.
Im allgemeinen soll der Film aber zeigen wie wichtig Freundschaft und Zusammenhalt ist, dass man sich gegenseitig unterstützen muss. Die drei Freunde haben alle verschiedene Charakterzüge und gerade dadurch ist es sehr berührend, wenn man sieht wie Solan dem immer alles zu langsam ist seinem ängstlichen Freund Ludvig hilft sicher über die Brücke zu laufen. Die drei helfen sich gegenseitig und nur so schaffen sie es die vielen Hürden die sich ihnen in den Weg stellen zu überwinden. Das wird immer wieder deutlich und ist eine wunderbare Botschaft Kindern mitzugeben.
Auch für Ältere ist dieser Film nicht gerade langweilig, die Erwachsenen um mich herum haben mit mir und den vielen Kindern im Saal gemeinsam gelacht, aber auch angespannt verfolgt ob die drei Freunde aus Flåklypa es schaffen den Käse als Erster ins Ziel zu bringen. Dazu gab es immer wieder kleine versteckte Witze, die wahrscheinlich nur von den älteren Zuschauern verstanden wurden.

Es ist immer wieder schön in Filme mit einem sehr jungen Publikum zu gehen. Der tosende Applaus mit dem die Kinder das Filmteam begrüßen, auch wenn sie dieses nicht kennen. Das unbeschwerte und ehrliche Lachen sobald irgend etwas komisches passiert, aber auch das Anhalten des Atems, wenn die Spannung steigt. Diese frei gezeigten Emotionen erfüllen einen doch immer wieder mit Freude und bauen im Kinosaal eine magische Atmosphäre auf.
So war es auch dieses mal wieder und so hat zum Beispiel ein kleiner Junge "NEIN!" geschrien, als Ludvig von dem improvisieren Flugzeug gefallen ist.

Solan og Ludvig ist ein wunderbarer und auch spannender Trickfilm, der mit seiner Liebe zum Detail und den charmanten Figuren alle Zuschauer überzeugt. Ein Film der zeigt was Freundschaft ausmacht und wie wichtig Zusammenhalt ist. Solan og Ludvig ist für alle Altersgruppen empfehlenswert und es ist total berechtigt diesen Film auch ohne Alibikinder zu gucken!


Solang og Ludvig is a wonderful and exciting stop-motion animated movie by the talented director Rasmus A. Siversten. With jokes based on different styles of humor the movie manages it to address adults and children at the same time.
The three friends Solan, Ludvig and Reodor whom are all different in character face the challenge to win the great cheese race. In the race they have to overcome deep canyons and high mountains. The movie shows us how important it is help each other and that you will succeed if you stick together.


I can recommend "Solan og Ludvig" to each and everyone who wants to go on a journey in the cinema and you do not have to be ashamed to watch this movie as an adult!
18.02.2016, Klara Hirseland

Das Tagebuch der Anne Frank

In einem Saal voller Erwachsenen, die sich und ihren Gefühlen keine Blöße geben wollen, ist es fast den ganzen Film über, die letzten zehn Minuten aber am bemerkbarsten, unglaublich still. Als der Abspann beginnt, hat niemand die Kraft, so viel zu klatschen, wie dieses Werk es verdient hätte. Benommen sitzen alle in ihren Stühlen, kaum jemand redet, viele wischen hastig ihre Tränen weg. Es ist ein Segen, dass Regisseur Hans Steinbichler eine knappe Viertelstunde damit beschäftigt ist, jedes anwesende Crew-Mitglied auf die Bühne zu holen und sich bei zahlreichen Menschen zu bedanken, da es sich um die Weltpremiere des Filmes handelt, bevor das Wort an die Publikumsfragen übergeben wird. Denn es braucht eine ganze Weile, bis sich die Zuschauer wieder einigermaßen unter Kontrolle haben.

Worum es beim Tagebuch der Anne Frank geht, weiß wohl jeder. Die Geschichte von Anne, die sich zwei Jahre lang mit ihrer Familie und vier anderen in einem Hinterhaus in Amsterdam vor den Nazis versteckte und Tagebuch schrieb, ehe sie 1944 nach Auschwitz deportiert wurde, ist schließlich weltbekannt. Und auch wenn man weiß, wie diese Geschichte ausgeht, bleibt das Ende ein Schock.

Mit Lea van Acken wurde die Rolle der Anne perfekt besetzt. Wenn ich vor Dienstagabend an Anne Frank dachte, dann war das mit Distanz. Anne war für mich ein weit entfernter Mensch, ein Mythos. Ein Mädchen mit einem schrecklichen Schicksal, wie es viele im Zweiten Weltkrieg erlitten. Doch dabei blieb es auch. Lea van Acken hingegen gibt ihrer Rolle von der ersten, bereits sehr intensiven Szene an etwas Menschliches. Sie holt Anne in unsere jetzige Zeit, lässt sie auf einmal ganz nah und real erscheinen, was es unheimlich schwierig macht, sich emotional nicht komplett auf den Film einzulassen und dadurch die Contenance zu verlieren. Statt lediglich einer tragischen Heldin lernen wir ein trotziges, selbstbewusstes und intelligentes Mädchen kennen, das sich einfach nicht unterkriegen lässt. Dass Anne Frank ihre komplette Pubertät in einem Hinterhaus eingeengt und ohne Privatsphäre verbrachte, dass sie sich nicht damit begnügen wollte, versteckt an einem Tagebuch zu schreiben und nichts anderes zu tun, und stattdessen die gleichen Gedanken wie jeder andere Teenager verfolgte, vergisst man nur allzu leicht. Nicht mehr nach diesem Film.
Auf authentische Art und Weise führt Lea dem Zuschauer vor Augen, dass auch Anne nur ein Mensch war. Mit jeder Szene tun sich neue Facetten ihres Charakters auf, das Publikum verfolgt ihre Entwicklung, die gesamte Pubertät, und schließt Anne unbewusst ins Herz. Man weiß, worauf all das letztendlich hinausläuft. Und doch ertappt man sich dabei, wie man hofft, es wäre anders.

Mit beeindruckender Kameraführung wird die Enge des Hinterhauses fast spürbar eingefangen. Das ständige Zwielicht während trister, sich ewig ziehender Tage, die Helligkeit und der Sonnenschein während der wenigen Lichtblicke.
Zahlreiche Close-Ups ermöglichen intensive Szenen, vor allem mit Anne, beziehungsweise Lea van Acken. Die meiner Meinung nach wirksamsten Shots waren jedoch die Bilder der verlassenen Wohnung ganz am Ende des Filmes.

Überhaupt ist es das Ende, das einen als Zuschauer am meisten mitnimmt. Hier wurde einfach alles richtig gemacht. Ob es nun die Musik war, die bereits erwähnten Aufnahmen der überstürzt verlassenen Wohnung, die Szenen im Konzentrationslager oder dass bei den Informationen, was mit den Untergetauchten geschah und wie sie umkamen, ihre glücklichsten Momente aus dem Film eingeblendet wurden. Jede Minute ist hart zu schlucken und man kann sich nicht einmal mit den Worten „wenigstens ist es nur ein Film“ beruhigen. Denn das ist es ja gerade, was diesen Film ausmacht - das Einfangen der knallharten Realität, das Gefühl der Nähe zu Anne Frank, die immer so weit entfernt schien.

Eine beeindruckende Verfilmung, vor allem angesichts der Erwartungen, die für mich an diesen Film gekoppelt waren. Ausnahmslos jeder sollte diesen Film zumindest einmal gesehen haben. Egal, ob man das Tagebuch an sich wirklich gelesen hat. Kaum etwas hat es so grandios bewerkstelligt, mir die Grauen der NS-Zeit so deutlich vor Augen zu führen.

18.02.2016, Johanna Gosten

"Sobald du entlassen bist, sind wir nicht mehr für dich verantwortlich. Du könntest dich auch direkt vor unserer Tür umbringen, es würde uns nicht interessieren."


Der iranische 14Plus Film Royahaye Dame Sobh zeigt uns das Leben straffällig gewordener junger Frauen im Rehabilitationszentrum. Sie alle haben Furchtbares erlebt und getan, erzählen freimütig der Kamera von ihren schrecklichen Schicksalen.

Vom Vater geschlagen, vom Onkel sexuell missbraucht, von der Familie nicht geliebt, verstoßen, haben sie alle ihren Weg zu den Drogen gefunden. Manche bereits schon vor vielen Jahren, obwohl sie selbst noch so jung sind.

In Einzelinterviews erzählen sie der Kamera über ihre Vergangenheit. Ein Mädchen im Hintergrund fängt bei den Erzählungen ihrer Kameradin an zu weinen. Die Geschichte sei genau die ihre, das würde sie so traurig machen.
Es wird viel geweint, die Stimmung ist trostlos und verzweifelt. Sie alle unterstützen sich gegenseitig. Sie können sich verstehen.
Sie sind hoffnungslos. Selbst wenn sie die Entzugsanstalt verlassen, haben sie keinerlei Hoffnung auf ein besseres Leben. Dann müssen sie zurück auf die Straße, zurück in die Familie, die sie misshandelt, die selber drogenabhängig ist, sich nicht um sie kümmert.

Um sich abzulenken tanzen sie, singen Lieder, spielen Puppentheater oder bauen Schneemänner im Winter. Doch allzu bald fängt eine an zu weinen, herzzerreißendes Schluchzen ist allgegenwärtig, auch auf den Gesichtern der Anderen sind Tränen zu sehen.

Sie hören Musik, die ihnen aus der Seele spricht. Der Text ist furchtbar. Er spricht davon, dass sie nichts wert sind, dass dieses Leben für sie nichts liefern kann, dass sie mit der Welt abgeschlossen haben.

Bei dem Gedanken daran, dass andere Mädchen wohl behütet aufwachsen, bricht ein Mädchen aus lauter Unglück aufgelöst zusammen.

Sie alle haben furchtbare Taten verübt. Mit Drogen gedealt, öfter geklaut, als sie sich erinnern können, Männer erstochen, sogar den eigenen Vater umgebracht. Doch so werden sie nicht dargestellt. Sie erzählen offen über ihre Taten, doch der Zuschauer sieht sie nicht als böse. Er sieht sie als Opfer ihrer Umstände, er bemitleidet sie, ist fassungslos, in welch schlimmer Situation sich die Mädchen befinden.

Unfassbar für mich war mitanzusehen, wie die Angestellten der Anstalt sich nicht im Mindesten darum scherten, was aus den Mädchen wurde. Als ein Mädchen entlassen wurde, durfte sie nicht einmal mehr einen Verwandten anrufen. Sie solle gefälligst das Gelände verlassen, damit das Heim nicht mehr für sie zuständig ist und eine Sorge weniger hat.
Tatsächlich hat auch der Regisseur keinerlei Möglichkeit, Kontakt zu den Mädchen aufzunehmen. Er weiß nicht, was aus ihnen geworden ist.

Viele der Geschichten sind trostlos, doch es gibt auch Hoffnungsschimmer. Bei einem Mädchen zeichnet sich ein gutes Ende ab. Sie war von ihrem Onkel missbraucht worden, keiner aus ihrer Familie glaubte ihr, bis sie schließlich so verzweifelt war, dass sie abhaute. Wochenlang hatte ihre Familie keine Ahnung, wo sie war, machte sich schreckliche Sorgen um sie.
Sie hatten schließlich doch bemerkt, dass sie die ganze Zeit über die Wahrheit gesagt hatte. Es ist eine wunderschöne Familienvereinigung.
Zum ersten Mal kann man in den Augen des Mädchens Freude sehen. Sie meint, sie wüsste gar nicht, was es ist, glücklich zu sein. Es sei ein ganz ungewohntes Gefühl.

Obwohl es ein Dokumentarfilm ist, hat man nicht wirklich den Eindruck, dass es sich um einen Dokumentarfilm handelt. Er ist unglaublich klug geschnitten, bietet die intimsten Einblicke und bleibt trotzdem in respektvoller Entfernung.

Royahaye Dame Sobh ist unglaublich berührend und schockierend. Man verlässt den Film mit einem sehr bedrückten Gefühl.
Dieser Film ist sehr hart, aber unglaublich gut. Man sollte sich unbedingt mit dieser Thematik auseinandersetzen. Es ist wichtig zu wissen, welch schlimme Schicksale sich fernab von Europa ereignen.
Diesen Film würde ich wirklich jedem ans Herz legen.

18.02.2016, Sarah Gosten

The trueness of a poem

In diesem Post möchte ich auf einen Kurzfilm, der Kurzfilme 2 von 14Plus, eingehen: Refugee Blues.
Einfache Mittel, große Wirkung! Es werden Aufnahmen von einer Flüchtlingsgruppe gezeigt, wie diese versuchen sich am Rande einer Autobahn eine kleine Welt zu schaffen, "Häuser" bauen. Und später demonstrieren. Ich kann es nicht anders sagen, ich bin schockiert, wenn ich sehe wie Polizisten mit Schlagstöcken auf andere Menschen losgehen. Während des ganzen Films liest ein Flüchtling das Gedicht "Refugee Blues" von W.H. Auden, geschrieben im Jahr 1939. Der Film schafft es einem einmal mehr vor Augen zu führen, dass alles, was damals passiert ist, in gewisser Weise auf die heutige Zeit übertragbar ist... Und das ist einfach nur schockierend! Flüchtlingsströme, Menschen die ein neues zuhause suchen... Alles schonmal da gewesen. Wir müssen handeln, diese Menschen brauchen uns, jetzt!
18.02.16, Mia

What's in the Darkness

Qu ist ein sehr neugieriges Mädchen, das sich für andere Dinge interessiert als ihre Eltern und Lehrer es gerne sehen würden. So folgt sie zum Beispiel ihrem Vater zu seiner Arbeit als Polizist und Kriminalist, beobachtet ihn während er die Leichen junger, kurz vor ihrem Tod vergewaltigter Frauen fotografiert und lauscht an den Türen der Besprechungsräume.
Als aber ihre beste Freundin eines Tages nach dem Unterricht verschwindet, beginnt auch sie sich Sorgen zu machen.
Doch ihr jähzorniger, oft sehr liebloser und überarbeitet Vater, der sie zu einer "richtigen" Frau erziehen will, trägt nicht gerade dazu bei, dass sich die starrköpfige Jing Jing nicht nach dem möglichen Mörder umsieht.

What's in the Darkness ist eine Geschichte über das Erwachsenwerden, den Wunsch anders zu sein als die anderen und die Rebellion gegen die eigenen Eltern. In wunderschönen hellen und farbenfrohen Bildern trotzt der Film seinem eigenen Titel und allen damit verbundenen Erwartungshaltungen. So entwickelt sich die im China der neunziger Jahre spielende Geschichte nicht zum Krimi, sondern folgt der charakterstarken Protagonistin durch ihr merkwürdiges, von vielen Alltagsdiktatoren geprägtes und doch sehr selbstbestimmtes Leben.

Der Titel deutet in diesem Zusammenhang auch wirklich mehr auf die vielen vor der Außenwelt versteckten Gefühle, Träume und Gedanken eines jeden Menschen hin.
Die Serienmorde (also der Tod) mit denen der Film beginnt, bilden den einzigen Anlass, bei dem es gestattet ist, offen seine Gefühle zu zeigen.
Diese Beobachtungen eines gefühlskalten und lieblosen Umgangs, der auch zwischen Qu's Eltern herrscht, verpackten eine sehr erschütternde Gesellschaftskritik, die auch der eigentliche Inhalt des Films ist, der die Geschichte seiner Protagonistin sehr offen und auch ein bisschen unbefriedigend zu Ende führt.
17.02.2016, Hannah Kähler (Gastschreiberin) 15 Jahre

Ein Sturkopf auf der Suche nach sich selbst

Ob ein Kinofilm wirklich gut vom Publikum angenommen wird, hängt von vielen Faktoren ab. Da wäre die Auswahl der Schauspieler, die richtige Musik und vor allem das Skript. Denn um sich richtig gut in die Geschichte einfühlen zu können, muss das Gesprochene auch echt wirken. Sonst könnten die Schauspieler noch so gut sein, es würde ihnen nicht gelingen, eine greifbare Atmosphäre zu schaffen. Was in meinen Augen der eindeutige Beweis dafür war, dass bei Jamais Contente ausnahmslos alles richtig gemacht wurde? Das war nicht nur der ungewöhnlich langanhaltende Applaus. Sondern vor allem die Momente, die den kompletten Saal zum Lachen brachten. Selten hat es ein Film so grandios bewerkstelligt, mich mir meiner Lage als Teil eines Ganzen, eines einheitlichen Publikums bewusst zu machen.

Aurore ist 13 und muss eine Klasse wiederholen. Für die Schule hat sie keine Motivation, zuhause muss sie mit der Enttäuschung ihrer Eltern fertig werden und auch sonst gibt es kaum etwas, für das sie wirklich brennt. Nur ein einziger Lehrer, der an ihre Fähigkeiten glaubt, und eine neue Band mit drei gut aussehenden Jungen, die sie als Sängerin aufnehmen wollen, bleiben ihr.

90 Minuten begleiten wir Aurore (Léna Magnien) in einem Teil ihres Lebens, der den meisten im Publikum nur allzu gut bekannt vorkommt und den ganzen kleinen Berlinale-Gängern noch bevorsteht - die Pubertät. Besonders das Verhältnis zu ihren Eltern und das fehlende Verständnis zwischen beiden Parteien werden wunderbar eingefangen. Statt sich zumindest einmal gemeinsam hinzusetzen und einige Dinge auszudiskutieren, werfen sich beide Seiten ständig Dinge an den Kopf. Bei den Vorwürfen ihrer Eltern ist es kein Wunder, dass Aurore sich zuhause nicht geliebt fühlt und gern weglaufen würde. Dass nicht einmal das so richtig funktioniert, spricht ebenfalls für Aurores Verlorenheit in ihrer Suche nach sich selbst. Auch ihr Absturz bei der Silvesterparty ihrer Freundin passt ins Bild.

Vollkommen authentisch porträtiert Emilie Deleuze die Entwicklung eines Mädchens, das eine ganze Weile nichts mit sich anzufangen weiß und im Grunde genommen Glück hat, nicht in die falschen Freundeskreise zu gelangen.
Mit ihrer sehr direkten und provokanten Art ist Aurore zwar vielleicht nicht direkt sympathisch, allerdings schließt man sie als Zuschauer dennoch irgendwie ins Herz, nicht zuletzt vielleicht weil Léna Magnien es zustande gebracht hat, nicht nur die unwillige Tochter darzustellen, sondern Aurore unglaublich viele Facetten zu geben, die einem erst beim näheren Betrachten auffallen.

Jamais Contente ist ein in erster Linie unterhaltsamer Film mit viel guter Musik, der aber bei näherem Betrachten auf viele Dinge aufmerksam macht, wie beispielsweise die Verlorenheit einer Dreizehnjährigen in ihrer verständnislosen Familie, die Motivationslosigkeit, die sich leicht in den Köpfen von Jugendlichen einnisten kann und die Notwendigkeit, wenigstens eine Person zu haben, die an einen glaubt, wenn man es doch so augenscheinlich selbst nicht tut. Sehr empfehlenswert!

17.02.2016, Johanna Gosten

Viva la Revolution, viva la vie, viva l'amour

Ma Revolution ist ein Film der mich zum Nachdenken anregt, zum Nachdenken über das Leben und über die Liebe. Wir müssen uns finden in dieser Welt, unseren Platz, unsere Stellung. Wer sind wir? Wo gehören wir hin? Wo sind unsere Wurzeln? Und vorallem, für was stehen wir ein? Erheben uns und treten womöglich etwas in Gang? Und genauso ist es doch auch mit der Liebe... Haben wir den Mut der Person, die wir aufrichtig lieben, zu sagen was wir für Sie empfinden, was sie uns bedeutet und was sie vielleicht auch verändert in unserem Leben?
Marwann, 15 Jahre alt, aus Paris wird plötzlich zum Gesicht einer jungen Bewegung gegen die arabischen Diktaturen. Abends ist es noch spontan, als er und sein bester Freund auf eine Gruppe feiernder Demonstrierender treffen. Am nächsten morgen ist er auf dem Titelblatt einer Zeitung. Eine Aussage seiner Lehrerin an dem morgen in der Schule finde ich wichtig: " Junge Leute müssen die Zeitung lesen, Radio hören, Nachrichten sehen!". Ich stimme ihr vollkommen zu, in unserer heutigen Welt hat fast jeder die Möglichkeit dazu und grade dann, wenn so viel in der Welt passiert, sollte man nicht völlig ahnungslos sein!!! Marwan erlebt in diesem Film einen Prozess, die erste große Liebe und seine eigene, ganz persönliche Revolution.
Mit einigen, wenigen Abstrichen fand ich diesen Film sehr gelungen und bin froh in gesehen zu haben! Im Gegensatz zu vielen Filmen, schafft er es, in ungeahnter Form, mich zum Nachdenken zu bringen... Ich bin begeistert und möchte diesen Film wirklich jedem, ab 14 Jahre, ans Herz legen. Ein Film für Jugendliche und Erwachsene.
17.02.16, Mia

"Das beste ist sich Witze auszudenken"

Nach der Vorstellung des Films "Solan og Ludvig - Herfra til Flåklypa" habe ich die Chance genutzt dem Drehbuchautoren Karsten Fullu noch ein paar Fragen zu stellen.

Was für Schwierigkeiten gab es bei dem Verfassen des Drehbuchs?
Man hat immer viele Ideen und es gibt viele Dinge die man tun möchte, aber es ist manchmal einfach nicht möglich alles unterzubringen oder auch umzusetzen. Man ist in gewissen Dingen eingeschränkt. Zum Beispiel waren bei der Eislauf-Szene manche Sachen einfach nicht machbar, weil wir sonnst ein 10 m langes Set hätten aufbauen müssen.

Wobei hat man am meisten Spaß?
Es ist besonders lustig sich die Witze auszudenken und diese dann auszuprobieren, zu sehen was funktioniert und was nicht. Es ist schön wenn man mitbekommt wie alles zusammen kommt und Form annimmt.

Welche Erwartungen hatten Sie an das Publikum? Sind Sie damit zufrieden, wie der Film angekommen ist?
Ich war sehr aufgeregt, ob das Timing klappt, aber es wurde an den richtigen stellen gelacht. Bei ein paar Witzen gab es allerdings keine Reaktion, was vielleicht an den Redewendungen lag, die es vielleicht nur in Norwegen gibt oder daran, dass sie nicht richtig Übersetzt wurden. Im allgemeinen ist man immer ein bisschen angespannt, wenn ein eigener Film gezeigt wird, weil man nicht weiß ob das Publikum so reagieren wird wie man es sich vorgestellt hat.

Ich und auch die Erwachsenen um mich herum haben viel gelacht, aber auch mitgefiebert. War es geplant, das der Film auch ein älteres Publikum ansprechen soll?
Ja, als ich das Drehbuch geschrieben habe, habe ich darüber nachgedacht dass es nicht nur ein Kinderfilm werden soll, sondern dass der Film auch für Erwachsene unterhaltsam sein soll. Der Film lief vor einem Jahr auch schon in Norwegen, da gab es dann auch späte Abendvorstellungen.
Zudem ist auch das Original aus den 50ern, auf dem es basiert, für Erwachsene geschrieben worden. Es bestand also schon aus viel Erwachsenemhumor und wir mussten dann noch die Witze für Kinder hinzufügen.
17.02.2016, Klara Hirseland

Selbstzweifel und der große Traum vom Tanzen

Eigentlich träumt der zwanzigjährige Tu von einer Karriere als Hip-Hop Tänzer, doch dann bekommt er von seinem Vater ein Ultimatum von sechs Wochen gestellt, um sich endlich einen "richtigen" Beruf auszusuchen, sonst droht ihm elterlich verordneter Armeedienst.
Als der junge Maori wider Erwarten tatsächlich zum Casting bei einer der berühmtesten Hip-Hop Crews Neuseelands eingeladen wird und dort seinem Traum immer näher zu kommen scheint, muss er sich zwischen seiner ungewissen Tanz-Karriere und seinem alten Leben entscheiden.

Nach maorischer Tradition hat immer der älteste Mann in der Familie das Sagen und so wird Tu in Vorbereitung auf sein zukünftiges Leben als Soldat jeden Morgen um vier Uhr dreißig vom Vater für die gemeinsame Sporteinheit aus dem Bett gequält. Viel zu sagen haben sich Vater und Sohn allerdings nicht, nach dem Tod von Tu´s Mutter, herrscht zwischen den beiden eine klaffende Fremdheit und Leere.

Bei einem Film im Berlinale Generation-Programm erwartet man eigentlich einen sehr konkreten Plot, aber Born to dance ist ein Tanzfilm. Dieses Genre verführt leider oft zu platten Geschichten, sodass man hofft, dass dieser Film eine vielschichtige Ausnahme sein wird.
Aber tatsächlich weist auch dieser erste Spielfilm des Regisseurs Tammy Davis viele Klischees auf, so verliebt sich Tu zum Beispiel sofort in Sascha, Tänzerinnen der K-Crew, die unglücklicherweise unter ihren Tanzkollegen schon einen sehr eifersüchtigen Freund hat.
Zwar wohnt die ebenfalls zwanzig jährige Sascha allein in einem unglaublich noblen Haus, darf aber trotzdem nur so lange sie erfolgreich ist, in Neuseeland leben bleiben, weil ihre Mutter sie eigentlich viel lieber in New York als Ballerina sehen würde und immer noch über ihre erwachsene Tochter zu bestimmen scheint, Eltern nehmen in dieser Geschichte also eine sehr herrische Rolle ein.

Tu lebt mit seinem Vater in einem der ärmeren Stadtteile South Aucklands und verdient sich mit einem Job auf einem Recyclinghof etwas Geld, dort arbeitet auch sein bester Freund, der hält sich aber auch als Dealer über Wasser, was ihn kurz vor dem großen, finalen Hip-Hop Battle ins Gefängnis bringt, auf der Bühne ist er dann aber ohne Erklärung sofort wieder mit dabei.
Diese ungeklärten Momente und oberflächlichen Klischees schmälern den Gesamteindruck des Films aber nur gering, der von schillernden Farben, mitreißender Musik und sehr beeindruckenden Tanzszenen dominiert wird.

Die zentrale, sehr nachvollziehbare und Angst einflößende Frage: "Was, wenn sein Traum vom Leben als großer Hip-Hop Tänzer nicht in Erfüllung geht?", stellt sich Tu immer wieder selbst. Sasha sagt einmal während einer Probe:"Es ist doch nur Tanzen!" doch für ihn ist es weit mehr als nur Tanzen, für ihn ist es das, was über sein gesamtes zukünftiges Leben entscheiden wird. Und mit dieser Angst und diesen Zweifeln kann sich wahrscheinlich jeder identifizieren.
Der berührendste und zugleich auch stillste Moment dieses rasanten Films findet aber zwischen Vater und Sohn statt, als diese sich endlich gegenseitig akzeptieren und ihren Frieden miteinander schließen.

Dass, wie sich im Q&A herausstellte, fast alle Rollen mit Laien (also auch keinen Tänzern) besetzt sind, merkt man den Szenen, Dialogen und vor allem den in nur drei Wochen einstudierten Tanzszenen nicht an.

Born to Dance ist ein klassischer Tanzfilm, der dieses sehr amerikanische Genre nach Neuseeland und den Zuschauer ins Bewusstsein seiner eigenen Unsportlichkeit bringt. Mit einem sympathischen Protagonisten, viel Rhythmus und der gut nachvollziehbaren Frage nach dem, was man eigentlich wirklich will und wie viel man dafür aufgeben möchte, hinterlässt dieser stürmische, für alle Altersklassen geeignete Film den Zuschauer zwar in guter Stimmung, hat aber mit seiner märchenhaft anmutenden Handlung noch nicht genug Tiefgang.
17.02.16, Hannah Kähler(Gastschreiberin)15 Jahre

What’s in the darkness?


„Jeder könnte der Mörder sein. Jeder ist verdächtig.“

Schon am Anfang wird der Zuschauer einer grotesken Marktsituation ausgesetzt. Mehrere geköpfte Schweine hängen in der Metzgerei. Vater Qu Zhi Cheng fragt nach, wann, wie und wo das Tier getötet wurde. Allerdings bekommt er bloß einen missbilligen Blick mit Beleidigung zurück. Niemand kümmert sich ernsthaft um die Aufklärung.

Nachdem drei Morde infolge des gleichen Täters geschehen, rennt Qus Vater, der bei der Polizei mitarbeitet, durch das hohe, satte, grüne Schilffeld zum Tatort. Komischerweise bekommt er davon trotzdem erst als letztes mit. Qu Zhi Cheng hat nämlich als einziger innerhalb seines Arbeitsplatzes einen guten Abschluss an der Universität gemacht, doch auf Grund seiner kritischen Sichtweise auf den Fall, wird er nicht respektiert. Unter seinen angeblichen Freunden wird er genau so wenig ernst genommen. Dadurch staut sich ein Unmut an, den er zu Hause an seiner Tochter Qu auslässt. Da er fingerfertig und manchmal schneller kombinieren kann, schimpft der Vater sie fast durchgängig aus. Ihre Mutter hilft ihr nicht, ganz im Gegenteil, sie zeigt keinerlei Mitgefühl und wendet Gewalt an.
Die Frage: „Warum leben meine Eltern überhaupt noch zusammen?“ wird häufig gestellt, jedoch nicht beantwortet. Eines Tages offenbart ihr ein Junge seine Liebe, mit der Folge, dass Qu Jing in Nervosität ausbricht. Ihre Eltern verbieten ihr strengstens, sich mit Han Jian zu treffen.

Das sind alles Missstände, die in China während der 90-er Jahren gravierende Probleme darstellten. Das Ziel der Regisseurin Wang Yichun war Kritik an der chinesischen Politik und vor allem an dem System, was teilweise heute gleichermaßen noch vorhanden ist, auszuüben.
Das war einer der springenden Punkte, denn selbst als ich den Film schaute, wartete ich vergeblich auf die Auflösung des Mordfalls. Das hatte einen gewissen Überraschungseffekt, weil sich meinen Erwartungen nach das Hauptgeschehen um die Protagonistin und ihre Entwicklung drehen sollten.

Die chinesische Kultur und ihre Traditionen werden zeitgemäß gezeigt. Der exzessive Drill in der Schule scheint völlig normal zu sein. Traurigerweise wird sowohl die Freundschaft zwischen Jungen und Mädchen, als auch das Angucken von lasziven Filmen als verhängnisvoll angesehen.
Durch die undemokratische Herrschaftsform Chinas fühlt sich keiner richtig für seine Taten verantwortlich. Das mag eine vage Vermutung sein, aber warum forscht niemand genau nach dem wahren Mörder? Weshalb werden nur sinnlos Fotos vom Tatort geschossen, die keiner mehr genau analysiert? Aus welchem Grund werden Menschen fest genommen, von denen insgeheim jeder einzelne aus der Mordkommission seine Unschuld kennt? Sollen die lachenden, abstoßenden Masken Anonymität zum Ausdruck bringen?
Permanent werden Hinweise auf einen möglichen Täter gegeben, aber nicht weiter verfolgt.
Gelungen endet die Geschichte schlagartig mit einem schwarzen Bild. Alles bleibt im Dunkeln Verborgen.
15.2.2016, Eva Swiderski

Die Parkour-Prinzessin oder Salto im Kleid

Dieses Jahr ist eins der großen Themen bei Generation "Träume" und "Traumlandschaften" - unsere Träume sind immer ein Ort an den wir uns flüchten und ein Stück weit der Realität entfliehen können, doch was, wenn man nicht mehr weiß, ob man wirklich träumt? Dann, wenn sich Traum und Realität vermischen und das eine Einfluss auf das andere nimmt. Will man das und inwieweit ist es realistisch, dass das, was in deinen Träumen passiert auch mit deiner gegenwärtigen Realität zusammenhängt?
Diese Frage stellte ich mir heute immer wieder, während und nach dem Screening von "Ani ve snu!".

Mit ziemlich großen Erwartungen ging ich in das Screening von "Ani ve snu!" und ich dachte, dass das auf jeden Fall ein toller Film werden wird...! Ich wurde nicht enttäuscht, aber meine Erwartungen, welche nicht klar definiert waren, wurden auch nicht erfülllt.
Ich möchte nicht sagen, dass der Film schlecht war und komplett hinter meinen Erwartungen zurückgeblieben ist aber ich bin der Meinung man hätte mehr aus dem ganzen machen können. Nach 80 Minuten "In your dreams!" schau ich ein wenig verwundert um mich herum und denke und sage: "Das soll's jetzt gewesen sein?". Irgendwas fehlt mir, als wäre ein entscheidenes Puzzlestück vor dem "Finalcut" verloren gegangen oder als hätte jemand spontan entschieden ein paar Seiten aus dem Drehbuch herauszureißen, bevor der erste Drehtag gekommen war.
Dennoch arbeitet der Film mit schönen Mitteln. Zum Beispiel gefiehl mir sehr gut, dass die Hauptfigur Laura, gespielt von Barbora Štikarová, am Ende des Films an den Ort zurückkehrt, an dem sie auch am Anfang des Films war.
Das absolute Highlight des Films für mich: viele, viele Parkour-Moves!!!
Zu meiner großen Freude zeigten die 4 der 5 Darsteller, die mit dem Regisseur Petr Oukropec in den Zoo Palast gekommen waren, einige Parkour-Moves. Die Hauptdarstellerin hält sich zunächst zurück, doch selbst sie, in ihrem kurzen, roten Kleid,kann irgendwann doch nciht anders und muss einen Salto schlagen!
Bei diesem Film kommen Parkourfans auf ihre Kosten und generell ist es ein netter Film, der für alle, ab 14, ganz empfehlenswert ist.
15.02.16, Mia