Zwei kleine Männer und ihr Kampf um eine Freundschaft

Als der Vorhang im Zoopalast fällt und das Team von Little Men mit tosendem Applaus auf der Bühne empfangen wird, fühle ich mich, als läge mir ein Stein im Magen. Was mir in nur 85 Minuten deutlicher als je zuvor vor Augen geführt wurde? Freunde sind kostbar und es ist unsere Aufgabe, sie in unserem Leben zu halten.

In Little Men verfolgen wir die Beginne, den Verlauf und das Ende einer wunderbaren Freundschaft. Jake zieht mit seiner Familie in ein vom Großvater geerbtes Haus ein, im dazugehörigen Laden arbeitet Tonys Mutter. Von Anfang an verstehen sich die beiden Jungen gut. Doch es dauert nicht lange, da geraten beide zwischen die Fronten, denn die finanzielle Lage von Jakes Eltern treibt diese dazu, die Ladenmiete zu erhöhen, was sich Tonys Mutter allerdings nicht leisten kann. Zunächst scheint das Eis zwischen den Eltern beider ihre Freundschaft nur zu stärken. Letztendlich treiben die Differenzen und vor allem die vielen ungeklärten Dinge, die zwischen beiden Parteien unausgesprochen in der Luft hängen, jedoch auch einen Keil zwischen die Jugendlichen.

Ein Film, der nicht versucht, die Welt zu erklären, und sich stattdessen auf einen kleinen Ausschnitt beschränkt. Genau das ist es jedoch, was einem diese tiefen und nachvollziehbaren Einblicke in die Freundschaft der Jungen gibt und den Zuschauer die Situation auf das eigene Leben übertragen lässt. Auf die Frage des Regisseurs Ira Sachs im Publikumsgespräch an die anwesenden Erwachsenen, wer sich an eine Freundschaft aus Jugendzeiten erinnern kann, die auf eine ähnliche Art und Weise zu Bruch ging, melden sich viele. Ich bin mir sicher, dass auch viele Teenager im Publikum nachvollziehen konnten, worum es Sachs ging. Schließlich stehen einige (wie ich selbst) kurz vor dem Abitur oder haben es bereits hinter sich. Und das Ende der Schulzeit markiert für viele Freundschaften bekannterweise den Beginn des Auseinanderlebens.
Wie Sachs also selbst meinte: „Friends are precious, hold them close.“ Aber das gelingt nunmal nicht immer.

Untermalt mit wundervoller Musik von Dickon Hinchliffe brachten mich vor allem die Szenen zum Lächeln, die für den Beginn, die Entwicklung und schließlich auch das Ende der Freundschaft standen. In diesem Sinne war die Melodie wie ein eigenes Thema für den Lebensabschnitt, den Tony und Jake zusammen verbringen konnten. Viele dynamische Aufnahmen sind den Augenblicken gewidmet, in denen Tony und Jake sich auf dem Weg zwischen Jakes Haus und dem von Tony befinden. Auf der Leinwand verfolgt der Zuschauer die Selbstverständlichkeit, mit der sich die beiden gemeinsam bewegen, Jake auf seinen Rollerblades und Tony mit seinem Roller.
Herzzerreißend war meiner Meinung nach der Moment, in dem Jake diesen Weg allein antreten muss. Allerdings kommt er nie bei seinem besten Freund an und fährt vollkommen allein am Meer entlang. Zuletzt muss er nach einem Sturz von seinem Vater abgeholt und nach Hause gebracht werden. Es ist unmissverständlich, dass dieser Punkt das Ende der Freundschaft markiert. Denn nach dieser Szene treffen sich die beiden nicht wieder.

Ira Sachs porträtiert auf wunderschöne Art und Weise die Freundschaft zweier Heranwachsender, die sich zum einen selbst finden müssen und zum anderen auch ihren Platz in der Gesellschaft suchen. Das Erwachsenwerden ist etwas, das jeder für sich allein tun muss. Allerdings ist es auch die Zeit, in der man Freunde am meisten braucht. Menschen, die einem die Hand reichen. Wir können uns nicht aussuchen, ob und wenn ja wie viele Menschen wir treffen, die zu wirklich guten Freunden werden. Aber es liegt an uns, für diejenigen zu kämpfen, die es bis in unser Herz schaffen.

Little Men ist ein Muss für jeden Berlinale-Gänger, jeden Filmliebhaber und jeden anderen Menschen, der in 85 wundervollen unterhaltsamen Minuten den ein oder anderen Denkanstoß mitnehmen möchte. Lehnt euch zurück und taucht ein in eine Freundschaft, deren Geschichte niemanden ungerührt zurücklässt.

13.02.2016, Johanna Gosten

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